Mittwoch, 10. Oktober 2018

Mehr Krankheitstage wegen psychischer Leiden


Arbeitsunfähig wegen seelischer Krisen: Die Zahl der Fehltage aufgrund von Depressionen und anderer psychischer Erkrankungen hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Über die Gründe kann man nur spekulieren.

Der häufigste Grund für eine Krankschreibung sind nach wie vor Muskel-Skelett-Erkrankungen, zu denen etwa Rückenschmerzen gehören. Schon an zweiter Stelle stehen psychische Störungen wie Depressionen, Ängste oder Burn-out.
Das teilt die BKK-Krankenversicherung anlässlich des Tags der seelischen Gesundheit am 10. Oktober mit. Demnach gehen von den insgesamt 17,7 Arbeitsunfähigkeitstagen (AU-Tagen), die beschäftigte BKK-Mitglieder im vergangenen Jahr 7im Durchschnitt krankheitsbedingt am Arbeitsplatz fehlten, 2,8 AU-Tage auf das Konto der psychischen Störungen. Das entspricht einem Anteil von 15,6 Prozent aller Fehltage.
Das war nicht immer so. Nach den BKK-Daten hat sich die Zahl der Fehltage aufgrund seelischer Leiden in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Auch bei den Diagnosedaten der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten, im Krankenhausbereich sowie auch bei den entsprechenden Verordnungen von Arzneimitteln ist in den vergangenen Jahren eine Zunahme der mit psychischen Störungen in Verbindung stehenden Leistungen zu beobachten.

Psychische Erkrankungen sind nicht mehr so tabu wie früher

Werden die Deutschen also psychisch immer labiler? Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbandes, glaubt das nicht. Seiner Ansicht nach werden psychische Störungen heute einfach nur schneller erkannt und öfter behandelt als früher. Ein weiterer Grund sei, dass die Gesellschaft heute für das Thema Psyche sensibilisierter und Betroffene weniger stark stigmatisiert würden. „Entsprechend finden immer mehr Menschen mit den genaueren Diagnosen den Weg in die richtige ärztliche und therapeutische Behandlung“, meint Knieps optimistisch. 
 

Gesundheitsberufe und öffentlicher Dienst führen die Statistik an

Interessant sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Berufsgruppen: Am häufigsten werden Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im öffentlichen Dienst aufgrund von psychischen Störungen – zum Beispiel einem Burn-out - krankgeschrieben. Im Bergbau oder in der Landwirtschaft treten nicht einmal halb so viele AU-Tage auf.

Älter Arbeitnehmer fallen länger aus

Auch das Alter scheint eine Rolle zu spielen: Ältere Arbeitnehmer fallen öfter wegen seelischer Leiden im Job aus als jüngere. Während von 100 über 50-jährigen neun deswegen krangeschrieben werden, sind es bei den 20- bis 30-jährigen nur sechs. Außerdem sind bei den älteren Erwerbstätigen die Fehlzeiten mit durchschnittlich sechs Wochen rund doppelt so lang wie bei den jüngeren, die im Schnitt drei bis vier Wochen ausfallen.
„Es sind die älteren Beschäftigten, die aufgrund ihrer Erfahrungen und ihrer Fachkenntnisse heute mehr denn je für Unternehmen unverzichtbar sind“, sagt BKK-Chef Knieps. Damit die Generation 50+ möglichst lange und gesund im Arbeitsleben verbleiben kann, sei es umso wichtiger, das Arbeit auch altersgerecht gestaltet werde. Der nächste BKK Gesundheitsreport widmet sich diesem Thema ausführlich. Das Heft mit dem Schwerpunktthema Gesundheit und Arbeit: Generation 50+"  wird im November erscheinen.
 

Burnout in der Lebensmitte


Im Job muss man sich nicht mehr beweisen, die Kinder sind aus dem Gröbsten raus, das Haus ist abbezahlt: Mit 50 scheinen die Stürme des Lebens überstanden. Doch statt das Erreichte zu genießen, tritt bei vielen Menschen dieser Generation ein Burnout auf.

Eigentlich könnte sich die Generation 50+ bequem zurücklehnen: Im Beruf hat sie weitgehend alles erreicht, keine Kinder mehr im Haus, finanziell steht es meist besser denn je. Kein Wunder, dass die geburtenstarken Jahrgänge als hochzufriedene, entspannte und gesunde demographische Gruppe gelten. Doch wie Statistiken zeigen, ist gerade sie häufig von einem Burnout betroffen.

Gründe für diesen scheinbaren Widerspruch gibt es eine ganze Reihe. Viele Menschen um die 50 beunruhigt und irritiert die Zeit des Umbruchs und des Wandels. Sie stellen fest, dass sich ihr Körper verändert. Muskeln und Haare werden weniger, dafür nehmen Falten und Fettpölsterchen zu. Das ist im Zeitalter eines ausgeprägten Schönheits- und Jugendideals für die meisten beängstigend. Sie erkennen zudem, dass das Leben endlich ist.

Oftmals erkranken oder sterben die Eltern in dieser Zeit und es stellen sich die ersten eigenen Gebrechen ein. Die Angst, bei dem technischen Fortschritt nicht mithalten zu können, die Pflicht ständiger Erreichbarkeit und die Angst vor Kündigung tragen oft zusätzlich zur Entstehung eines Burnouts bei.

Die große Frage nach dem Sinn

Dies alles kann zu hohem Druck führen und mitunter die „großen“ Sinnfragen und sogar Identitätskrisen des Lebens auslösen. Selbst mit maximaler Ausschöpfung der persönlichen Energieressourcen lässt sich der damit einhergehende Stress meist nur begrenzte Zeit auffangen. Ein Burnout ist da oft nur noch eine Frage der Zeit.
Darüber hinaus spielen bei der Entstehung natürlich auch weitere Faktoren wie anlage- und erziehungsbedingte Persönlichkeitsmerkmale, die eigene Lebens- und Erfahrungsgeschichte sowie  belastende Situationen im familiären Umfeld oder der Partnerschaft eine Rolle - wobei meist nicht die einmalige hohe Belastung entscheidend ist, sondern eher längerfristige Überlastungen.

Bekommen faule Menschen kein Burnout?

In erster Linie sind natürlich sehr leistungsorientierte Menschen von einem Burnout betroffen. Wer es gelassener und weniger ehrgeizig angeht, der reduziert auch Erwartungshaltung und Leistungsdruck. Doch unabhängig davon ist das Ursachenspektrum weitaus vielfältiger und komplexer. Nicht selten geraten beispielsweise Menschen auch durch lange Arbeitslosigkeit, die intensive Pflege eines kranken Angehörigen oder andere familiäre Probleme so stark unter Druck, dass es zu seelischen Störungen wie einem Burnout kommt.

Meist zeigt sich ein chronischer Erschöpfungszustand jedoch erst, wenn die üblichen Erholungszeiten zum Regenerieren nicht mehr ausreichen: Schlaflosigkeit, Unruhe, reduzierte Leistungsfähigkeit, innere Leere und Antriebslosigkeit sind typische Zeichen. Abschalten und Entspannen gelingen nicht mehr. Sozialer Rückzug, geringer werdende Empathie und Resignation bis hin zur Depression können die Folge sein. Aber auch Magen- und Rückenschmerzen, Sodbrennen oder Tinnitus weisen in manchen Fällen auf ein Burnout hin.

Was genau ist eigentlich ein Burnout?

Unter einem Burnout verstehen Fachärzte einen tiefgreifenden, sowohl körperlichen als auch psychischen Erschöpfungszustand. Voraus gehen meist länger andauernde Überlastungen und Überforderungen. Dabei ist nicht allein ein überhöhtes Arbeitspensum das Problem. Vielmehr ist es ein Gefühl der Machtlosigkeit, des Kontrollverlusts und der Sinnlosigkeit. Viele Betroffene scheuen sich, Hilfe zu suchen. Dabei sind eine ärztliche oder psychologische Beratung sowie gegebenenfalls eine anschließende Therapie kein Zeichen von Schwäche oder Scheitern. Vielmehr zeugen diese vom verantwortungsvollen Umgang mit sich selbst.
Ziel einer Therapie ist es, mit dem Patienten einen möglichst optimalen persönlichen Weg zu finden, um künftig ohne gesundheitliche Probleme mit Druck und Stress umgehen zu können. Dazu gehört es auch, eigene Ansprüche an sich selbst genau zu überprüfen. Denn häufig kommt die Überforderung nicht nur von außen.

Wie lässt sich ein Zusammenbruch vermeiden?

Zunächst gilt es, sich die eigenen Belastungsgrenzen bewusst zu machen. Also darauf zu achten, diese Grenzen einzuhalten und nicht ständig darüber hinaus zu gehen. Immer erst die Pflicht, nie das Vergnügen – damit sollte Schluss sein. Ein Ausgleich zu hohen beruflichen und/oder privaten Belastungen ist wichtig – dazu zählen soziale Kontakte und Interessen außerhalb des Berufs, Bewegung sowie Sport. Und natürlich: ehrlich zu sich selbst zu sein, die eigenen Ansprüche zu überprüfen – und eventuell der persönlichen Belastbarkeit anzupassen. Wer versucht, immer alles 150-prozentig zu machen, ist langfristig hochgradig burnout-gefährdet.

Einmal Burnout, immer Burnout?

Ein Burnout ist heilbar, doch Rückfälle sind natürlich nicht ausgeschlossen. Wichtig ist es, dass den Betroffenen ihr Problem bewusst wird und sie entsprechende Schutzmechanismen beziehungsweise Strategien zur Stressbewältigung erlernen.  In vielen Fällen kann die Psychotherapie, insbesondere die Verhaltenstherapie, hilfreich sein.
Standard-Lösungen gibt es aber nicht. Vielmehr sollte die medizinische Hilfe auf den jeweiligen Patienten und dessen Arbeits- und Lebensbedingungen sowie die Art der Beschwerden abgestimmt sein. Über 90 Prozent der Betroffenen gelingt übrigens die Rückkehr in den Beruf. Zudem gilt: Jede Lebenskrise bietet auch die Chance eines Neubeginns.

Quelle: https://www.focus.de/gesundheit/experten/diagnose-burnout-diagnose-burnout-warum-menschen-ueber-50-besonders-haeufig-betroffen-sind_id_9721273.html