Sonntag, 28. Oktober 2018

Burnout beim Pfarrer


Ja Burnout beim Pfarrer. Es ist ein Beruf der sehr gefährdet ist!

Wenn es nicht um Kirche ginge, würde man von einem Teufelskreis sprechen: Die Mitgliederzahlen schrumpfen, die Budgets werden kleiner und auch die Zahl der Pfarrerinnen und Pfarrer nimmt ab, aber nicht die Arbeit. Seelsorger sind immer im Dienst und müssen zu jeder Zeit und Gelegenheit die passenden Worte finden. Sie haben ihren Beruf aus Überzeugung gewählt und stellen oft einen hohen Anspruch an sich selbst. Gleichzeitig können sie dem gesellschaftlichen Wandel und einer geringer werdenden Bedeutung der Kirche im Leben vieler Menschen wenig entgegensetzen.

Wer ständig mehr als 40 Wochenstunden arbeitet, was für Geistliche beider Kirchen zur Normalität gehört, hat ein erhöhtes Burnout-Risiko. Eine Studie des Anton-Proksch-Instituts in Wien hat ergeben, dass „ein Viertel der befragten Priester in Deutschland deutlich über 50 Stunden pro Woche arbeitet“.

14 Prozent aller kirchlichen Seelsorger überfordert

In der Studie heißt es außerdem, dass 14 Prozent aller kirchlichen Seelsorger mit ihrem Beruf überfordert seien und als Burnout-gefährdet gelten. Die immer größer werdende Belastung der Geistlichen ist auch in Rom angekommen. Papst Franziskus rief in einer Botschaft Anfang Juli dazu auf, für „ausgebrannte und einsame Priester“ zu beten.

Das Bild des in sich ruhenden Hirten, den seine Schäfchen im Umkreis der Kirche antreffen, ist überholt. Geistliche müssen mobil sein. Das gilt vor allem in katholischen Gemeinden, die der abnehmenden Zahl an Gläubigen und dem eklatanten Mangel an Nachwuchsseelsorgern mit dem Zusammenschluss von Pfarreien begegnen. Der in diesem Jahr in Überlingen vorzeitig in den Ruhestand gewechselte Pfarrer Karl-Heinz Berger hat einmal gesagt: „Der Motor des Autos eines Pfarrers hat kaum Chancen, abzukühlen.“

Dünne Personaldecke und immer mehr Aufgaben

Das kennt auch Pfarrer Ulrich Hund, der in Markdorf und Umgebung für sechs Pfarreien und 11 000 Katholiken zuständig ist. „Die Distanzen sind zu groß und die Aufgaben in den letzten Jahren quantitativ mehr geworden“, sagt der Geistliche. Das heißt, er muss mit einer dünneren Personaldecke immer mehr Aufgaben stemmen, von denen die seelsorgerische Arbeit nur einen Teil einnimmt.

Viel Zeit kosten Verwaltungsaufgaben: Die Gemeinde betreibt mehrere Kindertagesstätten, das Pfarrhaus muss saniert werden und jeden Tag bekommt er E-Mails mit neuen Verordnungen, bei denen es um Steuern, Datenschutz oder andere weltliche Themen geht. „Das kann ich manchmal gar nicht alles lesen“, gibt er zu. Und betont, dass diese Arbeit nicht Teil der Ausbildung eines Priesters sei. Dazu sind im Zeitalter der Digitalisierung auch Geistliche beinahe immer per Mail und Handy erreichbar. „Manchmal komme ich erst um 23 Uhr dazu, eine Mail zu beantworten“, sagt Ulrich Hund.

Unterstützung leisten ehrenamtliche Helfer, ohne die das kirchliche Angebot sehr viel kleiner ausfallen würde. Aber auch um die muss sich der Pfarrer kümmern. Das passiert meist bei Abendterminen, wenn alle anderen frei haben. „Die meisten haben Verständnis, dass ich nicht überall sein und alle Kirchgänger persönlich kennen kann“, sagt Pfarrer Hund. Allerdings gebe auch schon einmal Kritik.

Die Rolle des Pfarrers auch mal verlassen

Ganz wichtig für die seelische Gesundheit sei der Austausch mit Freunden und Kollegen sowie Situationen, in denen er die Rolle verlassen und einmal er selbst sein könne. Auch er kennt Kollegen, die in eine Krise gekommen sind. „Da spielen dann meistens mehrere Faktoren eine Rolle.“
Diese Problematik ist auch der Überlinger Dekanin Regine Klusmann nicht fremd: „Bei jungen Kollegen, die Familie haben und dem Beruf Vollzeit gerecht werden müssen, ist das schwierig, das wird dann schnell zu viel.“ Sie hatte das Glück, sich die Familienzeit mit ihrem Mann, der auch Pfarrer ist, teilen zu können.

Seit sie vor 24 Jahren in dem Beruf anfing, hätte sich die gesamtgesellschaftliche Anerkennung des Amtes gewandelt. Dazu übten die zurückgehenden Mitliederzahlen Druck aus, auch wenn man persönlich keine Schuld trage.
„Der Anspruch, Kirche muss für alle da sein und entsprechend viele Angebote machen, wie eigene Gottesdienste für alle Gruppen und Altersklassen ist überfordernd.“
Sie selbst habe mühsam gelernt, sich trotz des Zeitdrucks Freiräume zu schaffen. Und beruft sich auf Martin Luther, der anscheinend gut um die Balance von Arbeit und Spiritualität wusste: „Heute habe ich viel zu tun, also muss ich viel beten!“

Theologieprofessor Jan Hermelink: "Pfarrer sind sieben Tage in der Woche und 24 Stunden im Dienst"

Jan Hermelink ist Professor für Praktische Theologie an der Universität Göttingen. Im Interview spricht er über die Belastungen, denen Pfarrer ausgesetzt sind. Außerdem erklärt er, wie Geistliche erkennen, ob sie gefährdet sind, einen Burnout zu erleiden.
Herr Hermelink, haben Fälle, in denen Seelsorger unter Burnout leiden, in den vergangenen Jahren zugenommen?
Das ist keine neue Erscheinung. Der Prozess begann vor ein bis zwei Generationen, als man das Wort noch nicht dafür benutzte. Es ist schwer, Zahlen zu nennen und das Thema statistisch zu erfassen. Ob jemand früh in Rente geht oder länger erkrankt, weil er oder sie an Burnout leidet, ist schwer zu sagen. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein. Es gibt unterschiedliche Aussagen dazu und keine validen Studien. Klar ist, die Geistlichen leiden unter einer großen Arbeitsbelastung, aber schon seit einer ganzen Weile.
Wie hoch ist die Arbeitsbelastung?
Pfarrer sind eigentlich sieben Tage in der Woche und 24 Stunden im Dienst. Es gibt Verabredungen, dass zum Beispiel der Montag ein freier Tag sein soll, aber das klappt nicht immer. Die Arbeit wird mühsamer, die Gemeinde größer und das Geld weniger. Aber das ist regional sehr unterschiedlich.
Warum kommt es in manchen Fällen zum Burnout?
Geistliche machen ihre Arbeit aus Berufung. Sie wollen so viel und brennen für die Sache. Wenn dann die Erfolge oder positiven Rückmeldungen ausbleiben, folgt die Erschöpfung der guten Energie. Da macht einer eine tolle Trauung und die Leute kommen trotzdem nicht wieder. Das frustriert. Eine hohe Arbeitsbelastung ohne positive Rückmeldung macht es in jedem Beruf schwer.
Woran können Geistliche erkennen, dass sie gefährdet sind?
Sie sollten sich fragen: Wo ist es gut, dass ich dafür brenne und wo will ich zu viel? Es geht auch um die Reduktion der eigenen Ansprüche. Das ist oft schwerer, als die Ansprüche von außen zu zügeln. Da spielen das Bild über die Aufgabe und die Tradition mit. Das ist ähnlich wie bei Ärzten oder auch Lehrern, die ihren Beruf mit einer hohen inneren Motivation ausüben.
Gibt es Auswege?
Unsere Aufgabe, also die der Ausbildung ist es, ein realistisches Berufsbild zu vermitteln und deutlich zu machen, wie wichtig ein kollegiales Netzwerk und der Austausch sind. Es ist wichtig, dass sie erfahren, keine Einzelkämpfer zu sein. Wechselseitige Ermutigung hilft in dieser Situation. Das Zölibat macht es für katholische Geistliche nicht einfacher, aber ob die Aufhebung und der Schritt Frauen in das Amt zu lassen, die Probleme lösen würden, ist fraglich.

Quelle: https://www.suedkurier.de/region/bodenseekreis/bodenseekreis/Pfarrer-an-der-absoluten-Belastungsgrenze;art410936,9938814