Mittwoch, 28. November 2018

Was es heißt, wenn der Partner an Depression erkrankt



Eine Studie zeigt, wie die Krankheit Beziehungen belastet. Experten betonen: Niemand hat Schuld – und professionelle Hilfe ist nötig.

Sibylle Hauck wusste längst, dass ihr Mann schwer krank ist. Er hingegen brauchte sogar nach seinem Suizidversuch noch Wochen, bis er es endlich akzeptieren konnte. Der 51-Jährige aus Schwäbisch-Hall hatte es nicht anders gelernt: Psychisch krank zu sein war etwas Peinliches. Bei seinen Eltern wurde über das „Irrenhaus“ in der Gegend gewitzelt.
Nun befand er sich plötzlich an eben diesem Ort, weil er die seelischen Schmerzen nicht mehr ausgehalten hatte, im Februar 2015. Zwei Zusammenbrüche in den Jahren zuvor hatte er für sich als Burnout verbucht. Burnout war okay, eine Diagnose, mit der er umgehen konnte. Aber eine schwere, wiederkehrende Depression, dazu Angststörungen?

Inzwischen hat Uwe Hauck seine Erkrankungen nicht nur akzeptiert. Er und seine Frau gehen bewusst in die Öffentlichkeit. Als Paar. Sie wollen mit ihrer Geschichte für das Thema sensibilisieren. Die Hälfte der an einer Depression Erkrankten erlebt Probleme in der Partnerschaft, davon 45 Prozent sogar eine Trennung. Das zeigt das zweite „Deutschland-Barometer Depression“, eine aktuelle Studie der Deutschen Depressionshilfe und der Deutschen Bahn Stiftung. Schwerpunkt der repräsentativen Befragung war die Auswirkung der Krankheit auf soziale Beziehungen.
 

„Erkrankte lassen sich nicht einfach nur gehen“

Knapp drei Viertel (72 Prozent) der Betroffenen empfinden demnach während einer Depression keine Verbundenheit zu anderen Menschen. Und 73 Prozent der Befragten, deren Partner an einer Depression erkrankt war, entwickelten Schuldgefühle und fühlten sich sowohl für die Erkrankung als auch für die Genesung verantwortlich.
 
Auch Sibylle Hauck suchte anfangs die Schuld bei sich. Ihr Mann war offen und fröhlich gewesen, als sie vor 23 Jahren ein Paar wurden. Mit der Zeit veränderte er sich, wirkte abwesend, wurde gereizt. Und behauptete gleichzeitig immer wieder, dass alles in Ordnung sei. Was also machte sie falsch?
„Man ist als Partner nicht schuld, dass der andere depressiv ist, und man ist auch nicht verantwortlich dafür, ihn da rauszuholen“, betont Professor Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Deutschen Depressionshilfe. „Es ist eine Erkrankung wie andere auch, und für Diagnose und Behandlung sind zunächst einmal die Ärzte zuständig.“ Zu wissen, dass der andere sich nicht einfach nur „gehen lässt“, und dass nicht man selbst, sondern die Krankheit die Schuld trägt, sei elementar wichtig für Angehörige.
Das Familienleben um den Depressiven herumgebaut
Eine Depression ist nichts Exotisches. Fast jede vierte Frau und jeder achte Mann erkrankt der Stiftung zufolge im Laufe des Lebens an einer Form davon. Und all diese Erkrankten sind mit anderen Menschen verbunden. Partner, Familie, Freundinnen – die oft nicht wissen, was los ist, oder wie sie helfen können. „Einfach nur zu signalisieren, ich bin da, wenn du mich brauchst, das hilft“, sagt Uwe Hauck.
Sibylle Hauck hat allerdings noch viel mehr gemacht, und vieles davon, ohne es zu merken. Heute weiß sie: Sie und ihre drei Kinder hatten ihr Leben der Depression des Vaters vollkommen angepasst. Lange bevor sie wussten, dass er krank war. Die Kinder, heute 19, 16 und 14 Jahre alt, wuchsen in der selbstverständlichen Annahme auf, er müsse geschont werden. Alltagslasten hielten sie von ihm fern, denn er reagierte meist gereizt, war nicht richtig anwesend, hatte kein offenes Ohr für die Sorgen der Kinder und keine Kapazitäten, ihnen zu helfen. „Wir haben unser Leben um ihn herum gebaut“, sagt die 47-jährige Frau.
Er hielt sich lieber für charakterschwach als psychisch krank
Die Familie ist immer noch dabei, diese alten Muster aufzubrechen. Zu lernen, dass der Vater Teil der Familie sein will, nicht mehr der Geschonte in der Ecke. Dreieinhalb Jahre nach dem Suizidversuch, 15 Jahre nach einem Entwicklungsgespräch mit seinem Vorgesetzten, bei dem Uwe Hauck unerwartet negative Rückmeldung bekam.
Es gilt der Familie heute als Beginn der Abwärtsspirale. Am Anfang sei es langsam gegangen. Er litt an der Arbeit und am Leben, aber erklärte sich lieber selbst für einen schwachen Charakter als für krank. Die wiederkehrende Depression hat er, wie er inzwischen weiß, seit Jugendzeiten. Sie fühlte sich für ihn an wie ein Teil seiner Persönlichkeit.
2010 hatte er seinen ersten Zusammenbruch: „Ich saß vor dem Computerbildschirm und habe plötzlich nicht mehr verstanden, was ich da sehe“, sagt er. 2013 geschah es wieder, und diesmal sagte der Arzt: Zeit für eine Psychotherapie. „Da fing die Suche nach einem Therapeuten an, und ich fand auch einen, aber der hatte erst in einem Jahr einen Platz frei“, erzählt er.
Lange Wartezeiten bei Psychotherapie
In Deutschland warten Menschen durchschnittlich fast 20 Wochen auf einen Psychotherapieplatz. Außerhalb von Großstädten und im Ruhrgebiet seien die Wartezeiten besonders lang wie die Bundespsychotherapeutenkammer in einer aktuellen Studie darlegt. Die Ursache ist eigentlich positiv: Dank einer erfolgreichen Entstigmatisierung wollen sich mehr Betroffene behandeln lassen. 7000 Praxissitze sind aus Sicht der Psychotherapeuten zusätzlich nötig, um Wartezeiten zu verkürzen.
Für Uwe Hauck kam die Therapie zu spät, um seinen Suizidversuch zu verhindern. Er geriet in einen Strudel, bis er keinen Ausweg mehr sah. Er nahm Tabletten, versuchte, sich die Pulsadern aufzuschneiden, schrieb per Handy verzweifelte Abschiedsbotschaften an seine Frau. Die alarmierte seine Kollegen. Sie fanden ihn rechtzeitig.
Sibylle Hauck war lange im Dauer-Krisenmodus. Erst seit diesem Jahr hat auch sie eine Therapeutin, kann sich wieder mehr um sich selbst kümmern. Was ihr außerdem hilft, sind Spaziergänge mit einer guten Freundin. Und ihr Mann? Uwe Hauck ist zurück in seiner alten Firma, aber in einem anderen Bereich. Weniger Druck. Er hat ein Buch über seine Erfahrung geschrieben, „Depressionen abzugeben“ heißt es. Und er genießt es wieder, mit seiner Familie etwas zu unternehmen. Es geht voran.
Weitere Zahlen und Info:
21 Prozent der 5000 für die Studie befragten Menschen zwischen 18 und 69 sagten, sie hätten schon einmal die Diagnose Depression gehabt. 27 Prozent gaben an, Angehörige oder Bekannte eines Erkrankten zu sein. 34 Prozent sagten, sie hätten noch keinen Kontakt mit der Krankheit gehabt. 84 Prozent der Erkrankten haben sich während der Depression aus sozialen Beziehungen zurückgezogen. Die Deutsche Depressionshilfe betont, dass die Krankheit oft die Ursache und nicht die Folge von Partnerschaftskonflikten sei.
 

Dienstag, 27. November 2018

Andrés Iniesta spricht über Depressionen


Es war die wohl erfolgreichste Zeit seiner Karriere. Doch für Andrés Iniesta hatte das Jahr des Triple-Gewinns mit dem FC Barcelona auch seine Schattenseiten: "Ich hatte den Wunsch, dass die Nacht anbricht."

Der spanische Fußballstar Andrés Iniesta hat im spanischen Fernsehen über Depressionen in seiner Zeit beim FC Barcelona berichtet. Der 34-Jährige hatte sich im Jahr 2009 in psychologische Behandlung begeben und Medikament genommen, um eine depressive Phase zu überstehen.

"Der Drang bei mir, zur Behandlung zu gehen, war so groß, dass ich schon immer 15 Minuten vor Beginn da war", berichtete der einstige Mittelfeldspieler des FC Barcelona in der Sendung "Salvados" im privaten Sender La Sexta TV. Vor allem der Tod des Espanyol-Kapitäns Daniel Jarque aufgrund eines Herzinfarkts im Alter von 26 Jahren im August 2009 habe bei ihm die Depressionen ausgelöst.
Die psychischen Probleme stellten sich bei Iniesta im Jahr des Dreifach-Triumphes aus Pokal-, Liga- und Champions-League-Sieg mit Barcelona 2009 ein: "Ich hatte den Wunsch, dass die Nacht anbricht. Gegen die Depression habe ich eine Tablette genommen, um auszuruhen."
Iniesta, aktuell Teamkollege von Lukas Podolski beim japanischen Erstligisten Vissel Kobe, wurde auch gefragt, ob er an Selbstmord gedacht habe: "Wer mit einer Depression lebt, ist nicht er selbst", sagte er: "Du bist verletzbar, und es gibt sehr schwierige Momente, dein Leben zu kontrollieren."

Quelle: http://www.spiegel.de/sport/fussball/ex-fc-barcelona-star-andres-iniesta-spricht-ueber-depressionen-a-1240553.html

Montag, 26. November 2018

Stressmanagement: "Keine Methode hilft bei jedem"



Es gibt Menschen, die setzen bei Stress auf Meditation oder Yoga, andere auf Fitness. Jedes gute Stressmanagement braucht aber eine gute Diagnostik und einen individuellen Schwerpunkt in der Behandlung, findet Dr. Uwe Böning von BÖNING-CONSULT. Wir wollten von ihm auch wissen, ob Stress gleich Stress ist. Hat ein Top-Manager anderen Stress als ein Buchhalter?

CONSULTING.de: Herr Böning, Stressmanagement ist das große Dauerthema. So werden immer wieder zahlreiche Selbsthilfe-Bücher und Magazine mit "Tipps & Tricks" für ein gutes Stressmanagement veröffentlicht. Was kann ein Coaching, was ein Buch nicht kann?

Dr. Uwe Böning: Coaching kann die Selbstreflexion durch einen vertiefenden Dialog in der Regel wesentlich mehr anregen als nur ein Buch – auch wenn dessen Wirkung nicht zu unterschätzen ist. Aber Bücher sind einkanalig und nicht dialogisch. Durch das Gespräch mit einem lebenden, zugewandten Menschen mit professioneller Ausbildung und Erfahrung können Individuen spezifischer angesprochen und im Verlauf der Gespräche Fragen auch geklärt werden. Es hängt immer vom Typus ab: Es gibt Menschen, die eher nachdenken und reflektieren als reden – und so zu Ihren Gefühlen kommen, um dann Veränderungen einzuleiten. Aber Achtung: Die meisten Menschen sind eher "Interaktionisten", die leichter zu erreichen sind durch ein Gespräch als durch ein Buch. Andererseits: Bücher können grandiose, tolle Gedanken wunderbar vermitteln. Für Liebhaber der Sprache sind Bücher oft hinreißender, weil lange an der Darstellung von Gedanken, Gefühlen und Erlebnissen gearbeitet werden konnte. Deshalb und wie immer im Leben: Es kommt einfach darauf an.

CONSULTING.de: Wie sieht denn ein gutes Stressmanagement "à la Böning" aus?

Dr. Uwe Böning: Jedes gute Stressmanagement braucht eine gute Diagnostik, einen sehr individuellen Schwerpunkt in der Behandlung und eine konsequente Begleitung und Betreuung für den Transfer in den Alltag: Einsichten allein genügen in der Regel nicht. Keine Methode hilft bei jedem. Für ein gutes Stressmanagement suchen wir immer die Ansätze auf drei Ebenen: der gedanklich-emotionalen, der vegetativen und der muskulären Ebene. Mit anderen Worten: Ganzheitlichkeit des stressmindernden Vorgehens bedeutet für uns immer ein Gesamtpaket, das nicht nur Stressauslöser beachtet, sondern immer auch die individuellen Verarbeitungsmechanismen berücksichtigt und bearbeitet. Und die Erhöhung der Selbststeuerung des einzelnen Betroffenen gehört einfach dazu. Deshalb ist eine Methodenvielfalt dringend vonnöten. Das, was Tante Maria geholfen hat, muss Jack oder Yvonne gar nichts nützen und umgekehrt. Deshalb: Nicht Meditation oder Yoga zur Beruhigung für die "Aktionisten", sondern für die "Denker" mit hoher Selbstkontrolle. Und Fitness-Training nicht brachial für die alle, die Herz-Kreislauf-Beschwerden haben. Sondern jedem das seine und das nach ausführlicher Diagnostik.

CONSULTING.de: Ist Stressmanagement gleich Stressmanagement? Oder so gefragt: Hat ein Top-Manager anderen Stress als ein Buchhalter?

Dr. Uwe Böning: Ihre Frage verweist auf ein weitverbreitetes Missverständnis: Beim Stress kommt es nicht nur auf den Stressor an, also den Auslöser, sondern auf drei weitere Aspekte: 1. die Grundeinstellung des Beteiligten, wie er mit dem Stressor umgeht, d.h. welche Einstellung er dazu hat. 2. kommt es auf das schon bestehende Stressniveau an. Wer schon hoch belastet oder gereizt ist, der empfindet mehr zusätzliche Belastung als jemand, der entspannt, gelassen und selbstbewusst ist, wenn ein Zusatz-Stressor ihn trifft. Und 3.: ein selbstbewusster Mensch reagiert spontaner mit richtigem Verhalten, weil er sich per se mehr traut, intuitiv etwas Richtiges auszuprobieren. Deshalb hat ein Topmanager in der Regel nicht die gleiche Belastung auf den gleichen Stressor wie ein Mittelmanager oder ein Buchhalter. Der Grund ist klar: Sein Ausgangs-Stressniveau ist niedriger, sein Selbstbewusstsein größer und er verfügt im Allgemeinen über ein größeres Handlungsrepertoire. Deshalb ist seine Belastung meistens niedriger. Aber beide können lernen, ihre Fähigkeiten zur Stressregulation noch zu verbessern.

CONSULTING.de: Viele, die an Burnout erkrankt sind, sind in diesen Erschöpfungszustand geraten, weil ein früher gelerntes Verhalten dies begünstigt, Stress bringt sie an den Rand ihrer Kräfte. Andere leiden überhaupt nicht darunter. Wie begegnen Sie diesem Zustand in ihren Coachings?
Dr. Uwe Böning: Das hängt sehr stark vom konkreten Verständnis ab, was man unter Burnout versteht. Burnout ist nicht identisch mit einer Depression, sondern zuerst einmal ein grenzüberschreitender Zustand nach einer langanhaltenden Überforderung, gerade aus dem Arbeitsbereich, mit der die oder der Betreffende nicht mehr zurecht kommt. Depressionen können überlappende Symptome zum Burnout aufweisen, können aber auch andere Ursachen haben, z.B. grenzwertige Verlusterfahrungen. Allerdings gibt es bei Depressionen auch die klassische und nicht unumstrittene Unterscheidung zwischen endogenen und exogenen Depressionen. Hier befinden wir uns aber in einem Grenzbereich, wo sich der Laie aus der Diagnostik besser heraushalten und sie den entsprechenden Fachleuten überlassen sollte, nämlich Psychologen, Ärzten und Psychiatern. Ohne saubere Diagnostik kann hier kein Behandlungsplan aufgestellt werden.
Eine nach unserem Stress-Verständnis wirklich ganzheitliche Coaching-Vorgehensweise kann bzw. sollte Verschiedenes umfassen: körperlich aktivierende Fitness-Anteile, konkrete Aufgaben zur besseren Bewältigung der Arbeitsanforderungen durch ein verbessertes Zeitmanagement, Optimierung des erholenden Schlafverhaltens, Entwicklung von guten Selbstverstärkungs-Strategien, Erörtern und Angehen konkreter berichteter Schwierigkeiten, Setzen realistischer Ziele auf der psychologischen Seite. Wenn die körperlichen und/oder psychologischen Symptome sehr auffallend sind, sind eine ärztliche Untersuchung oder auch eine psychiatrisch-medizinische Behandlung ergänzend oder schwerpunktmäßig hinzuzuziehen. Ob es eindeutige physiologische Marker zur Unterscheidung von Burnout und Depression gibt, ist derzeit noch sehr umstritten und stark in der Diskussion. Unsere Kunden sind überwiegend gesund, wenn auch stressbelastet. In Grenzfällen überweisen wir an Ärzte.

CONSULTING.de: Vielen Dank für das Gespräch!
 

Freitag, 23. November 2018

Gemeinsam zum Burnout



Die Schulleiterin muss nicht lange überlegen. Auf die Frage, was sich an ihrer Grundschule durch das gemeinsame Lernen von Kinder mit und ohne Handicap geändert hat, sagt sie: „Die Unzufriedenheit meiner alten Lehrerschaft.“ Es gebe viele Pädagogen, „die einfach sagen, die können das nicht mehr, sie schaffen das nicht mehr.“ Auf der anderen Seite sei da aber auch „die Freude, wenn man sieht, was man erreichen kann, wenn man Unterstützung hat und wenn alle Lehrer an Bord sind.“

Schulleiter und Eltern wurden befragt

30 Schulleiter von Grund-, Ober- und Gesamtschulen aus allen Landkreisen Brandenburgs hat Bildungsexperte Wilfried Steinert telefonisch interviewt. Er hat mit Koordinatoren für gemeinsames Lernen gesprochen, online 195 Elternvertreter befragt und Statistiken ausgewertet, um den aktuellen Stand bei einem Bildungsthema zu evaluieren, das Brandenburg einige Jahre viel beschäftigt hat, über das im Landtag und bei Bürgerforen gestritten wurde – und über das man seit einiger Zeit nicht mehr viel hört: Inklusion. Dass es so still geworden ist um den gemeinsamen Unterricht von Schülern unterschiedlichster Förderbedürfnisse liegt wohl weniger daran, dass inzwischen alles läuft. Ganz im Gegenteil: Der Inklusionsprozess ist in Brandenburg ins Stocken geraten, wie ein am Dienstag vorgestelltes Gutachten Steinerts im Auftrag der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen aufzeigt.

Inklusion ist akzeptiert, aber bei der Umsetzung gibt es Probleme

Der Wille, auch Kindern mit Behinderung oder Verhaltensauffälligkeiten einen Platz an der Regelschule zu bieten, wie es die UN-Behindertenrechtskonvention seit 2009 auch in Deutschland verlangt, ist bei Brandenburgs Lehrern da. Aber: Der Lehrermangel, das Fehlen von geeigneten Räumen und rechtlichen Vorgaben im Schulgesetz verleiden den Schulen die Arbeit – und führen auch zu Unzufriedenheit bei den Eltern. Und zwar nicht nur bei denjenigen, deren Kind eine Behinderung hat.

Steinert: "Es droht ein personeller Kollaps"

„Die Lehrkräfte an den Brandenburger Schulen stehen vor dem Burnout. Ein personeller Kollaps droht“, warnt Steinert. In 60 Prozent der Schulen fehlt Personal. 47 Prozent der Schulleitungen beklagen, dass zu wenig Sonderpädagogen an den Schulen sind. Ein Drittel bemängelt, dass es auch an unterstützendem pädagogischen Personal und Schulassistenzen mangle. „Fehlende Vertretungsreserven verschärfen das Personalproblem, weil im Krankheitsfall Förder- und Teilungsstunden als erstes wegfallen“, heißt es in der Studie. Klassengrößen würden oft nicht eingehalten. Die befragten Eltern schätzen die Personalsituation dabei noch dramatischer ein als die Rektoren. Der Personalmangel, der mit Seiteneinsteigern abgemildert werden soll, verhindere „eine gute Bildung für alle“, so Steinert. Auch Schüler ohne Förderbedarf und besonders Begabte litten unter der Situation.
 


Gewinner des Deutschen Schulpreises

Wilfried Steinert ist dabei nicht irgendwer. Er ist einer der profiliertesten Bildungsexperten in Brandenburg. Er war Leiter der Waldhofschule in Templin (Uckermark), die 2010 mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet wurde – unter anderem für ihren integrativen Ansatz. Er ist Mitglied im Sprecherrat des „Expertenkreises Inklusive Bildung“ der Deutschen UNESCO-Kommission und Sprecher des wissenschaftlichen Fachbeirats „Inklusive Bildung“ beim Brandenburger Bildungsministerium, dem er schon 2015 ins Aufgabenheft diktiert hat: „Die Mark war auf dem Weg, bei Inklusion eine Vorreiterrolle einzunehmen. Aber Brandenburg ist bei dem Thema steckengeblieben.“

Die Zahl der Förderschüler an Regelschulen steigt

Vier Jahre später hat sich zwar etwas getan, aber – so die Einschätzung von Lehrern, Eltern und Experten, immer noch zu wenig. So hat der Anteil behinderter Schüler, die keine Förderschule besuchen, kontinuierlich zugenommen. Im Schuljahr 2009/10 besuchten 36 Prozent den gemeinsamen Unterricht, 2015/16 waren es schon 47 Prozent und inzwischen lernt gut die Hälfte aller Kinder mit Förderbedarf an einer Grund- oder weiterführenden Schule. Nach Angaben des Bildungsministeriums sind von den insgesamt 915 Brandenburger Schulen 188 „Schulen für gemeinsames Lernen“.

Schwierigkeiten mit den Jugendämtern

Inklusion wird selbstverständlicher – zumindest an den Schulen. Denn in vielen Landkreisen werde der UN-Behindertenrechtskonvention noch nicht genügend Rechnung getragen, wie die Studie ergibt. Die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern bewerten viele der befragten Schulleiter als schwierig, auch wenn 90 Prozent von ihnen das gemeinsame Lernen grundsätzlich positiv sehen.

Grüne fordern mehr Engagement des Landes

 

Die Hälfte der befragten Eltern beurteilen Inklusion an den Schulen ihrer Kinder mindestens mit ausreichend, fast 72 Prozent der Eltern sind der Meinung, dass Inklusion ein Menschenrecht ist, das auch in Brandenburg verwirklicht werden muss. Es gehe also bei Inklusion nicht mehr um das „Ob“, sondern um das „Wie“, erklärte die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Marie Luise von Halem. Wichtig sei unter anderem, die Schulen nicht aus dem Blick zu verlieren, die sich nicht am Modellprojekt „gemeinsames Lernen“ beteiligen und folglich nicht mit mehr Personal ausgestattet werden. Gemeinsamer Unterricht finde nicht nur an den Modellschulen statt. Auch eine Ombudsstelle, die Eltern und Lehrer berät, müsse eingerichtet werden. Damit nicht genug: Das Thema Inklusion müsse ganz oben gebündelt werden, fordern die Grünen und Gutachter Steinert. Die Landesregierung solle eine Stabstelle „Inklusion“ beim Ministerpräsidenten einrichten und das Schulgesetz so umschreiben, dass Inklusion nicht mehr unter Finanzierungsvorbehalt stehe.

Ministerium ist mit dem Prozess zufrieden

Versäumnisse beim früheren Dauerbrennerthema Inklusion sah man im Bildungsministerium zuletzt nicht. Sie sei insgesamt sehr zufrieden mit der Entwicklung beim gemeinsamen Lernen, hatte Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) vor vier Wochen in einem PNN-Interview erklärt. Sie trete bei dem Vorhaben nicht auf die Bremse, vielmehr sollten die Schulen über das Tempo entscheiden. „Inklusion kann man nicht von oben überstülpen. Das klappt nur, wenn auch Akzeptanz da ist. Gründlichkeit geht in dem Fall vor Schnelligkeit“, sagte Ernst.
Zu der nun vorgelegten Studie der Grünen wollte sich das Ministerium am Dienstag noch nicht äußern. Man wolle sich das Gutachten erst genauer anschauen, so Ministeriumssprecher Ralph Kotsch.

Quelle: https://www.pnn.de/brandenburg/studie-zu-inklusion-in-brandenburg-gemeinsam-zum-burnout/23660796.html

Sonntag, 18. November 2018

Psychisch krank? Auf die Diagnosehandbücher kommt es an


Diagnosehandbücher sind ein Werkzeug der Psychiatrie. Was gesund und was schon krank ist, darüber gibt es zwischen Europa und den USA einen Expertenstreit

Schon bevor sie 2013 erschienen war, sorgte sie für Zündstoff: die fünfte Version der amerikanischen Diagnosebibel der Psychiatrie, das Diagnostische und Statistische Handbuch Psychischer Störungen (DSM). Es würden immer mehr Krankheiten aufgenommen und bereits vorhandene Kriterien so weit aufgeweicht – etwa bei ADHS -, dass die Grenzen zwischen "geistig gesund" und "krank" immer weiter verschwimmen, so Kritiker. Vor allem der amerikanische Psychiater Allen Frances führte einen regelrechten Feldzug gegen DSM-5.

Das DSM bildet die Grundlage für die Diagnosen in den USA. Wollen hingegen Psychiater in Europa eine Diagnose stellen, greifen sie auf die International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD) zurück. Kürzlich hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach 26 Jahren eine neue Version veröffentlicht. Die ICD-11 soll im nächsten Jahr auf der Weltgesundheitsversammlung verabschiedet und offiziell ab Jänner 2022 gelten.

Das Diagnosehandbuch enthält auch einen großen Abschnitt über psychische Störungen und steht unter dem Einfluss des amerikanischen Handbuchs. Muss man also befürchten, dass Europa eine Diagnoseinflation bei psychischen Erkrankungen droht?

Trauer als Depression

Ein Stein des Anstoßes im Vorfeld des Erscheinens des amerikanischen Handbuchs war die Möglichkeit, eine mehr als zwei Wochen andauernde tiefe Trauer als Depression zu diagnostizieren. Normale Trauerreaktionen würden auf diesem Weg pathologisiert, lautete die Kritik.
"Vor dem DSM-5 war es so", sagt Johannes Wancata, Professor für Sozialpsychiatrie an der Med-Uni Wien: "Wenn jemand alle Kriterien einer schweren Depression erfüllt hat, aber innerhalb der letzten beiden Monate einen Trauerfall hatte, so galt dies als Ausschließungsgrund." Eine Depression konnte demzufolge nicht diagnostiziert werden, wenn sich die Symptome durch eine Trauerreaktion erklären ließen.
"Dieses Ausschließungskriterium der Trauer hat man im DSM-5 gestrichen." Das bedeutet, dass Trauernde nun gemäß für eine schwere Depression bereits zwei Wochen nach dem Tod einer nahestehenden Person eine Depressionsdiagnose erhalten können.

Bandbreite von Depression

Um zu sehen, ob im Zuge des DSM-5 eine Diagnoseinflation bei der Depression droht, hat sich Johannes Wancata einen Datensatz aus einer seiner Studien angeschaut. Und hier hätte sich mit den Kriterien von DSM-5 nur marginal etwas verändert. Denn nur bei einem von 1000 Patienten zusätzlich würde die Diagnose einer schweren Depression vergeben werden. "Die vor der Veröffentlichung des DSM-5 geäußerte Vermutung, die Rate der Depressionsdiagnosen würde sprunghaft ansteigen, war also nicht sehr realistisch."
In der nun neu veröffentlichten ICD-11 hat man für die Trauer eine andere Lösung gefunden und die Diagnose "Anhaltende Trauerreaktion" eingeführt. "Sie fordert für die verlängerte Trauerreaktion ein definiertes Bild schwerer psychischer Beeinträchtigung nach mindestens sechs Monaten", sagt Wolfgang Gaebel, Psychiater und ehemaliger ärztlicher Direktor des LVR-Klinikum Düsseldorf. Er hat sowohl am DSM-5 als auch an der ICD-11 mitgearbeitet.
Gaebel verteidigt die neue Diagnosemöglichkeit. Wenn jemand im Rahmen einer Trauerreaktion nach einem Todesfall eine ausgeprägte depressionsartige psychische Störung entwickle und aufgrund einer solchen Diagnose eine hilfreiche therapeutische Unterstützung erfahren könne: "Wo wäre denn hier das Problem?"

"Milde Störung"

Gaebel rechtfertigt aber auch noch eine andere umstrittene Diagnose. Im Alter schwinden bekanntlich die geistigen Fähigkeiten. Besonders das Gedächtnis lässt nach. Stärker ausfallende Leistungseinschränkungen lassen sich nun in Zukunft als "milde neurokognitive Störung" diagnostizieren.
Die ICD-11 folgt hier dem Beispiel des amerikanischen DSM. Die Idee dahinter: Es könnte sich in solchen Fällen um ein Vorstadium einer Demenz handeln, der man im Zuge einer Diagnose präventiv begegnen könnte. "Das ergibt Möglichkeiten einer besseren Verlaufsüberwachung, adäquateren Versorgung entsprechender vorhandener Möglichkeiten sowie weiterer Therapieentwicklung und künftig zielgerichteter Behandlung und Prävention", sagt Wolfgang Gaebel.
Johannes Wancata sieht das anders: "Die Idee, auf diesem Weg Frühstadien einer Demenz zu erkennen, um damit das Auftreten des Vollbilds der Erkrankung vorzubeugen, ist grundsätzlich nicht schlecht." Doch bisher gebe es keine Hinweise, dass dies gelingen kann.

Diagnosen aufgeweicht

Ähnlich äußert sich auch die Psychiaterin Christa Rados, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik: "Eine leichte kognitive Störung ist nach derzeitigem Wissenstand nicht zwingend ein Frühstadium einer Demenz."
Trotz einiger im Detail strittiger Punkte: Eine echte Diagnoseinflation wird wohl so oder so nicht drohen. Die Warnungen davor waren schon in Bezug auf das amerikanische Diagnosehandbuch ein wenig übertrieben. "Die Befürchtungen, die psychiatrischen Diagnosen würden durch DSM-5 aufgeweicht und gesundes Verhalten würde pathologisiert, haben sich aus heutiger Sicht nicht bewahrheitet", sagt Christa Rados.
Die damalige mediale Vermutung, es stünden vordringlich Interessen der Pharmaindustrie dahinter und Psychiater würden Krankheiten "erfinden", hätten sie und andere Psychiater immer ein wenig absurd gefunden. "Es gibt schließlich mehr als genug Krankheitsbilder in unserem Fachgebiet. Und wir sind ausreichend damit beschäftigt, alle Patienten gut versorgen zu können."

Psychopharmaka oder Psychotherapie

Zudem liegen in psychiatrischer Hinsicht immer noch Welten zwischen den USA und Europa. In den Vereinigten Staaten hat die Psychiatrie und insbesondere die Psychotherapie einen ganz anderen Stellenwert. Zumindest im privaten Gesundheitssektor ist es dort schon länger üblich, zum Psychiater oder zum Psychotherapeuten zu gehen.
Das schlägt sich auch in den Verschreibungszahlen von Psychopharmaka, etwa von Antidepressiva, nieder. Mittlerweile greifen rund 13 Prozent aller US-Amerikaner, die zwölf Jahre alt oder älter sind, zu Pillen.
Einer der Gründe für die hohen Zahlen: In USA ist anders als in Europa bei den Verbrauchern die Direktwerbung für rezeptpflichtige Arzneimittel erlaubt. Seit 1997 ist zusätzlich die Fernsehwerbung freigegeben. Auf diesem Weg können die Pharmafirmen selbst die Bevölkerungsgruppen erreichen, die keine Printmedien nutzen. In den ersten drei Jahren nach der Freigabe stiegen die Umsätze für Psychopharmaka um das Zweieinhalbfache.

In Europa tabuisiert

In Europa ist die Situation anders. "Hier ist die Psychiatrie bis heute tabuisiert", erklärt Christa Rados, "das scheint sich aber allmählich zu ändern und schlägt sich auch in der Behandlung nieder." Die Verschreibungszahlen von Antidepressiva hat in Europa ebenfalls in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen, aber auf niedrigerem Niveau. In Deutschland etwa kletterte einer OECD-Statistik von 2015 zufolge die Zahl der Verschreibungen von Antidepressiva von 20 Tagesdosen je 1000 Einwohner im Jahr 2000 auf 53 Tagesdosen im Jahr 2013.
In den steigenden Verschreibungszahlen sieht Christa Rados allerdings eher keinen Grund zur Sorge. Schließlich seien die Krankheiten, bei denen Antidepressiva indiziert sind – vor allem Angststörungen und Depressionen -, in der Bevölkerung überaus verbreitet. Vielmehr gebe es bei den Erkrankungen nach wie vor ein therapeutisches Defizit – vor allem wenn man auch ein gewisses Maß an Fehlverschreibungen miteinkalkuliere: "Etwa wenn beispielsweise Menschen in schwierigen Lebensumständen, aber ohne depressive Erkrankung Antidepressiva verschrieben bekommen in der meist falschen Hoffnung, ihre Stimmung würde sich dadurch verbessern."

Gravierender Mangel

Hier sei besondere Expertise gefragt. "Leider besteht vor allem abseits der Ballungszentren ein gravierender Mangel an psychiatrischen Fachärzten, die gerade bei schwierigen Differenzialdiagnosen und in komplexen Fällen zurate gezogen werden sollten."
Folgt man dieser Einschätzung, droht den Staaten in Europa insgesamt keine Diagnoseinflation. Steigende Diagnosen und Behandlungen wären – teilweise zumindest – eher Ausdruck eines gewissen Nachholbedarfs. (Christian Wolf, CURE, 17.11.2018)

Quelle: https://www.derstandard.de/story/2000085463251/psychisch-krank-auf-die-diagnosehandbuecher-kommt-es-an

Samstag, 17. November 2018

Der stille Burnout


Ein psychischer Zusammenbruch erfolgt meist nicht plötzlich und ohne Vorwarnung, sondern kündigt sich langsam an: Der stille Burnout ist die erste Stufe vor dem großen Knall. Wer die Anzeichen kennt, kann dagegen steuern und sich vor dem endgültigen Burnout schützen.
Stress, Überlastung, permanenter Zeitdruck und kein Raum mehr für Entspannung – das sind die Bedingungen, die dem stillen Burnout den Weg ebnen. Bei folgenden Anzeichen wisst ihr, dass ihr schnellstens die Notbremse ziehen solltet und auf euch und eure seelische Gesundheit achten solltet:
  • Ungeduld wird immer größer
  • Ständige Unzufriedenheit und Selbstzweifel
  • Work-Life-Balance ist im Ungleichgewicht
  • Permanente Erreichbarkeit als Priorität
  • Geräuschempfindlichkeit ist größer als sonst
  • Konzentrationsmangel sowohl im Büro als auch privat
  • Nächtliches Grübeln sorgt für Schlaflosigkeit
Stillen Burnout behandeln
Wenn ihr bei euch Symptome der psychischen Erkrankung erkennt, solltet ihr eurer Seelenpflege mehr Zeit einräumen. Natürlich kann man nicht gleich sein ganzes Leben ändern, aber Entspannungstechniken wie autogenes Training oder eine einfache Meditation helfen, den Stresspegel zu senken und sind leicht in den Alltag zu integrieren.
Wer allerdings schon zu sehr in der Abwärtsspirale gefangen ist, sollte sich professionelle Hilfe holen, denn aus einem stillen Burnout kann sich leicht ein kompletter psychischer Zusammenbruch mit Panikattacken und Depressionen entwickeln. Wer therapeutische Hilfe benötigt, kann sich zunächst an den Hausarzt oder die Hausärztin wenden und wird dann weitergeleitet, um eine Psychotherapie zu erhalten.

Quelle: https://www.suedtirolnews.it/unterhaltung/wer-haette-das-gedacht/der-stille-burnout

Freitag, 16. November 2018

Versagensangst oft Burnout-Auslöser


Das The­ma Bur­nout und De­pres­si­on be­trifft vie­le. Der Vor­trags­saal im al­ten Rat­haus war am Di­ens­ta­g­a­bend kom­p­lett be­setzt. Die Ver­an­stal­ter von Volks­hoch­schu­le und Uni­ver­si­täts­bund hat­ten ei­nen Ex­per­ten für den Vor­trag ge­won­nen, den Pri­vat­do­zen­ten And­reas Men­ke, lei­ten­der Ober­arzt an der Psy­ch­ia­trie des Uni­ver­si­täts­k­li­ni­kums Würz­burg.

Wie wichtig das Thema ist, machte dieser anhand einer Studie der Techniker-Krankenkasse zur Stresslage der Nation deutlich. Die Zahlen zeigten, dass quer durch die Bevölkerung der Stresslevel hoch ist und noch weiter steigt. Nur vier Prozent der Befragten gaben an, sie seien nie gestresst.
Stress ist ein wichtiger Faktor beim Auslösen von Burnout und Depressionen. Der Mediziner erklärte, er begrüße in gewissem Maße die Tatsache, dass Burnout quasi eine Modeerscheinung geworden sei, im Gegensatz zur Depression, die immer noch mit einem gewissen Stigma behaftet sei. Denn wo jemand zögern würde, wegen einer möglichen Depression ärztliche Hilfe zu suchen, falle es vielen Menschen leichter, mit einem Burnout zum Arzt zu gehen.

Hand in Hand mit Depression
Die typischen Anzeichen eines Burnout seien verminderte Leistungsfähigkeit, emotionale und körperliche Erschöpfung und eine gleichgültige, negative und zynische Haltung gegenüber Arbeit und Mitmenschen. Oft bestehe auch das Gefühl, beruflich zu versagen, obwohl das objektiv gar nicht so ist. Ein Burnout gehe meist Hand in Hand mit einer Depression, bei der diese Symptome ebenfalls auftreten. Allerdings gebe es verschiedene Depressionsformen mit teils unterschiedlichen Ausprägungen. Grundsätzlich sei eine anhaltende Depression etwas anderes als Stimmungsschwankungen oder vorübergehende Traurigkeit. Es handle sich um eine echte Krankheit, die aber heutzutage gut behandelbar sei. Das Risiko, an einer Depression zu erkranken, hänge ab von einer Kombination aus genetischen Faktoren und negativen Lebensereignissen, insbesondere traumatische Kindheitserlebnisse erhöhen das Risiko.
Frühwarnsymptome seien Veränderungen des gewohnten Schlafmusters, des Sozial- oder Konsumverhaltens, Konzentrationsstörungen oder generell eine Änderung der bisherigen Tagesstruktur.

Starke Nebenwirkungen
Menke stellte die Medikamente vor, die für die Behandlung von Depressionen zur Verfügung stehen. Dabei hätten leider die Mittel, die am effektivsten wirkten, auch die stärksten Nebenwirkungen Am meisten gefürchtet seien hier typischerweise sexuelle Funktionsstörungen und Gewichtszunahme. Heutzutage gebe es aber auch nebenwirkungsarme Medikamente, die oft gut wirkten, das müsse immer individuell eingestellt werden. Von pflanzlichen Mitteln wie dem stimmungsaufhellenden Johanniskraut riet der Mediziner ab, da dies die Wirksamkeit von anderen Medikamenten wie Antibabypille oder Gerinnungshemmern beeinträchtige.

Kognitives Training
Weitere Behandlungsmöglichkeiten seien kognitives Training, Ergotherapie, Sport und eine feste Tagesstruktur. Man müsse auf Stressreduktion achten, wobei akute Ereignisse weniger kritisch seien, von denen könne man sich oft wieder erholen. Doch wenn Probleme in Beruf, Partnerschaft oder Familie chronisch werden, »dann muss man etwas tun.«
Menke sieht aus seiner Erfahrung bei mittelschweren Depressionen die besten Chancen in der Kombination von medikamentöser und psychologischer Behandlung. Er favorisiert dabei die sogenannte kognitive Verhaltenstherapie, bei der individuell und pragmatisch auf die Probleme des Patienten eingegangen wird.

Quelle: https://www.main-echo.de/regional/kreis-main-spessart/art490827,6546537

Samstag, 10. November 2018

Wochenbettdepression eher bei Müttern, die Jungs gebären



Etwa eine von acht Müttern leidet nach der Geburt unter depressiven Zuständen und kann nur schwer eine Verbindung zum Kind aufbauen. Wochenbettdepression äußert sich in Reizbarkeit, Traurigkeit, Ruhelosigkeit, Angstzuständen, Energielosigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten bei Müttern. Eine neue Studie fand heraus, dass das Risiko, eine postnatale Depression zu entwickeln, signifikant höher bei Frauen ist, die Jungen gebären. Die Studienautoren betonen jedoch, dass das keine schlechten Nachrichten sind. Sind die Risikofaktoren schon früher bekannt, kann den Frauen eine bessere Unterstützung angeboten werden.

80% höheres Risiko bei Buben

Die Forscher der Universität Kent in Großbritannien entdeckten, dass Frauen, die einen Jungen zur Welt bringen, ein zwischen 70-80% höheres Risiko haben, eine postnatale Depression zu entwickeln, als Mütter von Mädchen. Sie fanden außerdem einen zusätzlichen Risikofaktor: Frischgebackene Mütter, die während dem Geburtsvorgang Komplikationen erlitten, hatten ein um 174% höheres Risiko für eine Wochenbettdepression als Frauen, die keine Komplikationen hatten. Das trifft jedoch nicht auf Frauen zu, bei denen schon zuvor mentale gesundheitliche Probleme bestanden haben. Als Grund sehen die Forscher die Tatsache, dass diese Frauen schon eine entsprechende Unterstützung erhalten, da sie in die High-Risk-Gruppe fallen. Genau darum geht es laut ihnen auch: Je früher die Risikofaktoren bekannt sind, desto bessere Informationen und Maßnahmen können bereitgestellt werden.

Extra-Hilfe für werdende Mütter von Jungen

Da postnatale Depression vermeidbar ist, wenn Frauen mehr Hilfe angeboten wird, sind die neuen Studienergebnisse sehr hilfreich. So kann werdenden Müttern, die einen Jungen erwarten, in den ersten Wochen und Monaten mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht werden, so Co-Autorin Sarah Jones in einer Aussendung. Da das Geschlecht bei der Entwicklung von postnataler Depression offenbar eine Rolle spielt, erhärtet sich der Verdacht, dass es eine Verbindung zwischen depressiven Verstimmungen und Entzündungs- und Immunreaktionen gibt.
 

Donnerstag, 8. November 2018

Depression bei Heimbewohnern


Wissenschaftler: Bei über 65-Jährigen in Pflegeheimen leiden 25 bis 45 Prozent an Depressionen – fünfmal so viele wie Gleichaltrige zuhause

In Altenheimen leiden nach Einschätzung von Wissenschaftlern weit mehr Menschen an Depressionen als bei Gleichaltrigen in Privatwohnungen. Es gebe in Heimen "ein eklatantes Behandlungsdefizit", sagten Mitarbeiter eines Forschungsprojekts, das am Montag in Frankfurt gestartet wurde. Bei über 65-Jährigen, die zu Hause lebten, litten fünf bis zehn Prozent an Depressionen - bei über 65-Jährigen in Pflegeheimen seien es 25 bis 45 Prozent, sagten Psychologen des Arbeitsbereichs Altersmedizin am Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität.
Nur 40 Prozent der Depressiven in Heimen bekämen überhaupt eine Diagnose, von diesen wiederum werde maximal die Hälfte adäquat behandelt. Das Forschungsprojekt DAVOS (Depression im Altenpflegeheim: Verbesserung der Behandlung durch ein gestuftes kollaboratives Versorgungsmodell) läuft drei Jahre und wird mit 1,4 Millionen Euro staatlich gefördert. Die Frankfurter Altersmediziner kooperiert dafür mit zehn Pflegeheimen und dem Hessischen Institut für Pflegeforschung.

Quelle: https://www.ihre-vorsorge.de/nachrichten/lesen/depression-bei-heimbewohnern-oft-unerkannt.html

Depression und Pubertät


Frau Freitag, kürzlich wurde berichtet, dass Depressionen bei Kindern und Jugendlichen zunehmen. Trifft das zu? 
Nein. Das ist so nicht richtig. Aber leider treten Depressionen tatsächlich schon bei Kindern und Jugendlichen auf.
Gibt es Zahlen?
Was die Kinder betrifft kaum. Wir gehen von ein bis zwei Prozent aus. Bei den Jugendlichen steigt dann die Zahl der Betroffenen stark an. Eine Depression ist eine typische Erkrankung des Jugendalters, vor allem bei Mädchen, von denen vier bis fünf Prozent darunter leiden.
Woran erkennt man eine Depression bei Kindern und Jugendlichen?
Die Kinder verlieren das Interesse an Dingen, die ihnen gewöhnlich Spaß machen: Wenn einem Kind plötzlich das Lieblingsessen egal ist oder der früher geliebte Sportverein links liegen gelassen wird, kann das ein Symptom sein. Schlafstörungen und starke Müdigkeit können dazu führen, dass die Jugendlichen gar nicht mehr aus dem Bett kommen und zu nichts mehr Lust haben.
Gibt es Risikofaktoren?
Die Pubertät und die damit verbundenen Hormonumstellungen gehören dazu. Es existieren auch familiäre und schulische Risikofaktoren.

Was passiert denn in der Schule? Ist es der Leistungsstress?
Der Leistungsstress selbst ist es eigentlich gar nicht. Es ist vor allem das Zwischenmenschliche, die Ablehnung durch Gleichaltrige und das Mobbing. Da gibt es inzwischen sehr gute Langzeitstudien aus Großbritannien, die belegen, dass das gegenseitiges Abwerten und Bloßstellen in den sozialen Medien, dass dieser soziale Stress Depressionen auslösen kann.
Die sozialen Medien bieten die Möglichkeit, sich gegenseitig mehr zu verletzen als früher?
Das sich Jugendliche gegenseitig emotional verletzt haben, gab es wahrscheinlich schon immer. Aber das Ausmaß, die Dimension hat sich durch das Internet verändert. Es werden viel mehr Menschen erreicht und man kann diese Inhalte nicht mehr gut löschen.
Und man kann auch Bilder ins Netz stellen.
Das ist sicher ein großer Risikofaktor, wenn da jemand in einer unvorteilhaften Position verspottet wird.
Gibt es Hilfe?
Ja, die gibt es. Zunächst sollten sich Jugendliche den Eltern anvertrauen, nicht etwa der besten Freundin, weil Gleichaltrige mit dem Thema Depression überfordert sind.
Und wenn das Vertrauen zu den Eltern fehlt?
Es gibt auch professionelle Hilfe, je nach Schweregrad. Bezüglich einer individuellen Psychotherapie gibt es leider lange Wartezeiten. Aber es gibt Beratungsstellen und zum Beispiel auch unsere Institutsambulanz. Wer Suizidgedanken hat, kann sofort zu uns in die Klinik kommen.
Wie sieht die Therapie aus?
Hier kommt es auf den Schweregrad der Erkrankung an. Bei leicht ausgeprägten depressiven Episoden reichen Psychoedukation oder eine kurze Psychotherapie aus. In mittelgradigen bis schwereren Fällen wird eine Kombination aus Antidepressiva und Psychotherapie empfohlen.

Quelle: http://www.fr.de/wissen/gesundheit/junge-patienten-die-pubertaet-ist-ein-ein-risikofaktor-a-1614843

Montag, 5. November 2018

Tim Mälzer spricht offen wie nie über seine Alkohol-Vergangenheit


Tim Mälzer ist ein erfolgreicher TV-Koch, der in seinem Leben alles richtig gemacht zu haben scheint. Doch auch der 47-Jährige hatte in der Vergangenheit mit schweren Zeiten zu kämpfen. In der RTL-Sendung „Jenke Über Leben“ sprach er nun offen wie nie über sein Burn-Out und seinen hohen Alkoholkonsum in dieser Zeit.

Tim Mälzer (47) ist aus der deutschen Fernsehlandschaft kaum mehr wegzudenken. Zuletzt war der sympathische TV-Koch unter anderem sogar bei „Joko und Klaas - das Duell um die Welt“ zu sehen, wo er sich bei den Dreharbeiten leider verletzte. Doch die ständige Präsenz im Fernsehen und der große Erfolg haben auch ihren Preis. Tim ist immer beschäftigt und manchmal voll im Stress. Mittlerweile kann er damit umgehen, doch das war nicht immer so.

In „Jenke Über Leben“ erzählte Tim, dass er dem Druck irgendwann nicht mehr standhalten konnte. Er war damals 30 Jahre alt und hatte 500 Sendungen in drei Jahren gemacht. Tim konzentrierte sich nur noch auf seinen Beruf und hatte kein Privatleben mehr. Er erzählte: „Ich bin wahnsinnig einsam geworden dadurch, kein Partner, kein Familienmitglied, kein Freund hat Kontakt zu mir bekommen.“
Schließlich machte der Stress Tim sogar krank. Denn der heute 47-Jährige musste sich nämlich nicht nur um seine TV-Karriere, sondern auch noch um seinen eigenen Laden kümmern. Der Profi-Koch gesteht: „Ich bin in eine Art Burnout gerutscht.“

Tim Mälzer: Er hat seine Alkohol-Vergangenheit überwunden

Tim konnte in dieser Zeit nicht mehr abschalten. Statt sich abends auszuruhen, stürzte er sich ins wilde Nachtleben. Damit verbunden war ein hoher Alkoholkonsum. Tim verriet zwar nicht, wie viel genau er in dieser Zeit getrunken hat, doch er meinte: „Wer säuft und noch sagen kann, wie viel er säuft, hat nicht gesoffen." 
Mittlerweile hat der Koch dieses Tief in seinem Leben aber überwunden. Auch wenn er immer selbstkritisch ist, weiß er, dass er momentan auf einem guten Weg ist. Er meint: „Aber für hier und jetzt bin ich mit mir für das, was ich bin, wer ich bin und wie ich bin, auf einem ganz hohen Level der Selbstzufriedenheit.“

Quelle: https://www.promipool.de/stars/tim-maelzer-spricht-offen-wie-nie-ueber-seine-alkohol-vergangenheit

Sonntag, 4. November 2018

Bildschirmzeit und Depressionen


Schlechte Nachrichten für Jugendliche, die ihre Freizeit am liebsten vor dem Bildschirm verbringen: Schon wenige Stunden Medienkonsum täglich kann die Wahrscheinlichkeit drastisch erhöhen, eine Depression und Angstzustände zu bekommen, wie eine aktuelle Studie belegt.
"Mach die Glotze aus, du bekommst noch rechteckige Augen." Wer als Heranwachsender ganze Samstagvormittage - so wie ich - regelmäßig mit den Cartoons im Privatfernsehen verbracht hat, wird diese Aufforderung sicherlich schon Mal gehört haben. Wenig überraschend hat sich herausgestellt, dass an dieser Horrorvorstellung nichts dran ist. Meine Augen sind jedenfalls noch oval und eure vermutlich auch. Beunruhigender ist da schon folgende Erkenntnis: Schon wenige Stunden täglich vor dem Bildschirm können drastisch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, eine Depression zu bekommen.

Depression: Doppelte Gefährdung für Vielnutzer

Wie zwei Wissenschaftler von den Universitäten Georgia und San Diego in ihrer Studie herausgefunden haben, sind insbesondere Kinder und Jugendliche gefährdet. 14- bis 17-Jährige mit sieben und mehr Stunden Bildschirmzeit - also die verbrachte Freizeit mit Smartphones, Fernsehen, Computern und anderen elektronischen Geräten - seien demnach mehr als doppelt so gefährdet eine Depression oder Angstzustände zu bekommen, wie Nutzer mit einer Stunde pro Tag. Studienteilnehmer, die sieben oder mehr Stunden am Tag vor dem Bildschirm klemmen, seien zudem doppelt so häufig wegen psychologischer Probleme in Behandlung gewesen.
Auch bei vier Stunden Bildschirmzeit täglich stellten sich bereits negative Effekte auf die Psyche von Jugendlichen ein, so die Forscher. Betrachtet man die ganze Stichprobe (stolze 40.337 Teilnehmer), also auch die 2- bis 13-Jährigen, lesen sich die Auswirkungen sogar noch unangenehmer: "Mehr als eine Stunde Bildschirmnutzung am Tag werden in Verbindung gebracht mit geringerem geistigen Wohlergehen", heißt es in dem Papier. Das beinhalte unter anderem weniger Neugier, geringere Selbstbeherrschung, erhöhte Ablenkbarkeit, Schwierigkeiten Freundschaften zu schließen, geringere emotionale Stabilität und erhöhtes Unvermögen Aufgaben zu erledigen.
Dummerweise scheint also selbst moderate Mediennutzung noch einen negativen Effekt zu haben. Immerhin: Die Wissenschaftler betonen, dass die Daten allesamt von Erziehungsberechtigten und nicht von den Jugendlichen selbst eingereicht wurden.
Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass die Bildschirmstunden durch die Bank etwas höher gelegen haben. Trotz allem sind die Befunde alarmierend - und vielleicht ein passender Anlass dafür, einfach mal mit seinem Smartphone Schluss zu machen - wenn auch nur für eine Weile.
 

Samstag, 3. November 2018

Erstmals drei Formen von Depression unterschieden - bei einer hilft kein Medikament

 

Japanische Forscher haben erstmals in einer wissenschaftlich fundierten Studie untersucht, ob es verschiedene Arten von depressiven Störungen gibt. Tatsächlich konnten sie drei Depressions-Typen unterscheiden. Einer davon schlägt nicht auf die gewöhnlichen Medikamente an.
Etwa vier Millionen Deutsche leiden an einer depressiven Störung. Weltweit sind es mehr als 300 Millionen. Als depressiv gilt, wer über einen längeren Zeitraum unter schwerem Stimmungstief leidet. Betroffene können sich in der Regel nicht selbst aus dem Loch befreien und rutschen stattdessen über Wochen, Monate oder Jahre immer tiefer hinein.
Die Symptome können dabei vollkommen unabhängig von äußeren Umständen wie Schicksalsschlägen, persönlichen Problemen oder Stress auftreten. Betroffene fühlen die Leere tief in sich, sind hoffnungs- und antriebslos und haben meist Schwierigkeiten, sich aus dem Bett zu schälen. Häufig kommen mit einer Depression auch körperliche Symptome wie Kopf- oder Magenschmerzen, eine verringerte Libido oder Schlafstörungen.

Bei Depressiven ist der Hirnstoffwechsel aus dem Gleichgewicht geraten

Als Grund für diese gravierenden Veränderungen haben Forscher bereits nachgewiesen, dass bei depressiven Menschen der Stoffwechsel im Gehirn durcheinander geraten ist. Mindestens einer der beiden Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin liegt nicht in der optimalen Konzentration vor. Infolge dessen können die Nervenzellen nicht mehr richtig miteinander kommunizieren und Impulse zwischen Hirnzellen nicht mehr richtig übertragen werden.
Heutzutage können depressive Störungen recht gut behandelt werden. Wer sich dazu aufrafft, einen Fachmann aufzusuchen, kann mit den richtigen Therapiemethoden in den meisten Fällen sogar vollständig geheilt werden.

30 Prozent der Patienten profitieren nicht von Antidepressiva

Neben Psychotherapien kommen häufig auch Medikamente zum Einsatz, zumindest zeitweise. Sogenannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer zählen zu den am meisten verschriebenen Antidepressiva. Sie sollen helfen, den Botenstoff Serotonin im Gehirn wieder ins Lot zu bringen. Im Großteil der Fälle ist die Behandlung auch erfolgreich. Aber bei etwa 30 Prozent der Patienten bewirken die Medikamente keine Besserung.
Warum das so ist, war den Wissenschaftlern bisher ein Rätsel. Japanische Forscher könnten der Lösung nun allerdings ein großes Stück nähergekommen sein.
„Dies ist die erste Studie, die Unterarten von Depressionen anhand der Lebensgeschichte und Kernspin-Daten identifiziert“, erklärte Kenji Doya vom Okinawa Insitut für Wissenschaft und Technologie. Er suchte mit einem Team aus Wissenschaftlern nach neuen Ansätzen in der Depressionsforschung.

Für ihre Studie untersuchten Forscher Lebenssituationen und Hirnscans

An ihrer Studie nahmen 67 Menschen mit depressiver Störung teil, weitere 67 Menschen ohne Depressionen bildeten die Kontrollgruppe. Die Forscher testeten die 134 Teilnehmer im MRT, ließen sie klinische Fragebögen ausfüllen und untersuchten sie nach mehr als 3000 unterschiedlichen Kennzeichen für Depressionen.
Im Kernspin untersuchten die Forscher die funktionelle Konnektivität im Gehirn der Probanden. Schon an diesem Punkt konnten sie zwei Gruppen unterscheiden: eine Gruppe, bei der die funktionelle Konnektivität eher niedrig war, sie nannten sie die D3-Gruppe; und eine, bei der sie gut funktionierte. Diese konnten die Forscher noch einmal in zwei Untergruppen teilen: eine, die in ihrer Kindheit Opfer von Misshandlungen wurde und Traumata davontrugen, die Forscher nannten sie die D1-Gruppe, und eine Gruppe, die keine Kindheitstraumata erlitten hat, die sie die D2-Gruppe nannten.

Medikamente wirkten nur bei zwei der drei Gruppen

Sie stellten fest, dass die Serotonin-Wiederaufnahmehemmer nur bei zwei der Gruppen wirkten. Offensichtlich ist die D3-Gruppe eine davon, aber auch bei den Betroffenen ohne Störung der Verbindungen zwischen den verschiedenen Hirnregionen zeigten sie Wirkung: bei denen, die kein Trauma aus ihrer Kindheit mit sich trugen, der D2-Gruppe. Bei der Gruppe mit Kindheitstrauma, der D1-Gruppe, zeigten die Serotonin-Wiederaufnahmehemmer jedoch keinerlei Wirkung.
„Es wurde schon immer vermutet, dass verschiedene Arten von Depressionen existieren. Sie beeinflussen auch die Effektivität der Medikamente“, erklärt Wissenschaftler Doya dazu.

Weitere Studien sind nötig

Um diese Erkenntnisse zu untermauern und weitere Schlüsse ziehen zu können, bedarf es weiterer Studien mit mehr Teilnehmern. Von der Methodologie versprechen sich die Forscher jedoch bereits einiges und hoffen, Gesundheitswissenschaftlern damit eine neue Leitlinie an die Hand geben zu können, anhand derer sie die Komplexität von Depressionen besser verstehen und ihre Patienten eindeutiger zuordnen können.

Quelle: https://www.focus.de/gesundheit/news/ursache-liegt-nicht-nur-im-gehirn-erstmals-drei-formen-von-depression-unterschieden-eine-ist-immun-gegen-medikamente_id_9844492.html

Stiller Burnout


Ein psychischer Zusammenbruch erfolgt meist nicht plötzlich, sondern kündigt sich langsam an: Der stille Burn-out ist diese erste Stufe vor dem großen Knall. Wer die Anzeichen kennt, kann dagegen steuern und sich vor dem endgültigen Burnout schützen.

Stress, Überlastung, permanenter Zeitdruck und kein Raum mehr für Entspannung - das sind die Faktoren, die dem stillen Burn-out den Weg ebnen. Bei folgenden Anzeichen weißt du, dass du schnell die Notbremse ziehen solltest und auf dich und deine seelische Gesundheit achten musst:

Ungeduld wird immer größer

Egal, ob an der Supermarktskasse oder wenn der Computer etwas länger braucht, um hochzufahren: Bei jeglicher zeitlichen Verzögerung reißt dir sofort der Geduldsfaden, du bist unruhig, nervös und neigst zu plötzlichen Wutanfällen? Dann könntest du bereits unter stillem Burn-out leiden.

Ständige Unzufriedenheit und Selbstzweifel

Es ist ein furchtbarer Teufelskreis: Du möchtest so gerne Lohn für deine Mühen bekommen und rackerst dich im Job permanent ab. Doch die Anerkennung bleibt aus. Du gibst deshalb noch mehr Gas, wofür du aber wieder kein Lob bekommst. Die Unzufriedenheit wächst immer mehr und paart sich mit dem Gefühl, nie gut genug zu sein. Wenn dir dieses Verhalten und die daraus resultierenden Gefühle bekannt vorkommen, ist die Gefahr an Burn-out zu erkranken leider gegeben.
 

Work-Life-Balance ist im Ungleichgewicht

Eigentlich wissen wir ja, dass wir auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance achten sollen. Menschen, die unter einem stillen Burn-out leiden, ist es aber gar nicht bewusst, dass sie ihr privates Leben vernachlässigen. Du bist immer die Letzte im Büro, nimmst ständig neue Aufgaben an und bist am Wochenende zu kaputt, um dich mit Freunden zu treffen? Das sind Verhaltensweisen, die die psychische Erkrankung definitiv begünstigen können.
 

Permanente Erreichbarkeit als Priorität

Wer sein Handy immer neben sich liegen hat und gar nicht mehr abschalten kann, steht immer unter einer gewissen Grundspannung. Diese Anspannung und die ständige Sorge ohne das Smartphone etwas zu verpassen, erhöhen das Stresslevel. Du gehört auch zu denen, die ihr Handy nie aus der Hand legen? Dann achte auf dich, denn es kann bereits ein Hinweis sein, dass der stille Burn-out schon in vollem Gange ist.
 

Geräuschsempfindlichkeit ist größer als sonst

Natürlich gibt es Menschen, die empfindlicher auf Geräusche reagieren als andere. Wenn du allerdings an dir selbst feststellst, dass dich plötzlich alltägliche Geräusche wie das Klackern der Tastaturen deiner Kollegen oder eine tickende Uhr, dir den letzten Nerv rauben, kann es ein Anzeichen für psychische Überlastung sein.
 

Konzentrationsmangel sowohl im Büro als auch privat

Wer ständig unter Strom steht, verliert meist automatisch die Fähigkeit, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Schließlich ist die schier endlos lange To-do-Liste immer im Hinterkopf. Fällt es dir auch schwer, dich auf eine Sache zu konzentrieren? Das könnte ebenfalls ein Symptom des stillen Burn-outs sein.
 

Nächtliches Grübeln sorgt für Schlaflosigkeit

Wenn permanente Gedankenspiralen dir den Schlaf rauben, ist das meist ein eindeutiges Anzeichen von psychischem Stress.
 

Stillen Burn-out behandeln

Wenn du bei dir Symptome der psychischen Erkrankung erkennst, solltest du deiner Seelenpflege mehr Zeit einräumen. Natürlich kann man nicht gleich sein ganzes Leben ändern, aber Entspannungstechniken wie autogenes Training oder eine einfache Meditation helfen, den Stresspegel zu senken und sind leicht in den Alltag zu integrieren.
Wer allerdings schon zu sehr in der Abwärtsspirale gefangen ist, sollte sich professionelle Hilfe holen, denn aus einem stillen Burn-out kann sich leicht ein kompletter psychischer Zusammenbruch mit Panikattacken und Depressionen entwickeln. Wer therapeutische Hilfe benötigt, kann im deutschlandweiten Verzeichnis einen spezifischen Therapeuten finden.

Quelle: https://www.wunderweib.de/stiller-burnout-achte-auf-diese-symptome-105658.html

Donnerstag, 1. November 2018

Saisonabhängige Depression: Wie du die Anzeichen richtig erkennst

 

Zu heiß, zu kalt, zu windig, zu schwül: Egal, welche Wetterlage, jede bietet Anlass zum Raunzen. Dass uns etwa trübes Herbstwetter tatsäch lich runterzieht, ist mittlerweile wissenschaftlich belegt: Ja, das Wetter kann sich auf die Psyche schlagen.
Und das funktioniert so: Jeder Mensch reagiert auf das Wetter. Wir zittern bei Kälte, frieren im strömenden Regen oder schwitzen unter der Sonne, weil der Körper -ganz automatisch -immer eine physiologische Antwort auf die atmosphärischen Umweltreize setzt. Doch wie jede/r Einzelne mit diesen "Antworten" des Körpers umgeht, also wie intensiv das Empfinden und dadurch auftretende Belastungen sind, ist individuell verschieden.
"Wir wissen heute, dass sich Wohlbefinden und Verhalten der meisten Menschen im Rhythmus von Sommer und Winter bis zu einem gewissen Grad verändern: Davon betroffen sind etwa der Energiehaushalt, das Schlaf-und Essverhalten und die Stimmung", so Psychiater Siegfried Kasper von der MedUni Wien. So weit, so normal. Während die einen jedoch keine oder kaum Veränderungen erkennen, erleben andere derart einschneidende Stimmungs-und Verhaltensschwankungen, dass diese ihren Alltag erheblich belasten. SAD, saisonabhängige Depression, lautet dann meistens die Diagnose.

"Im Oktober fange ich an, mich von meinen Freunden zurückzuziehen"

"Im September wird es schon schlimmer: Mein Appetit nimmt zu, ich giere nach Süßigkeiten und Fast Food. Im Oktober fange ich an, mich von meinen Freunden zurückzuziehen und Verabredungen abzusagen. Im November gehen die Schwierigkeiten dann richtig los", schildert eine Patientin. Zu den wichtigsten Symptomen der SAD zählen Müdigkeit, verstärkter Appetit, Schlafstörungen und Rückzug aus dem sozialen Leben. Professor Kasper ergänzt: "Manche schaffen es nur schwer, zur Arbeit zu gehen. Andere schleppen sich trotzdem hin, können aber kaum mehr etwas leisten." Die "Funktionsfähigkeit" der PatientInnen ist deutlich reduziert und sinkt um 30 bis 40 Prozent.
Am häufigsten davon betroffen sind Frauen sowie die Altersgruppe zwischen 20 und 40. "Die Störung tritt bei Frauen viermal häufiger auf als bei Männern", sagt Kasper. "Aufgrund neuer Ergebnisse aus der Depressionsforschung gehen wir davon aus, dass diese Relation zwischen weiblichen und männlichen SAD-Patienten unter anderem dadurch bedingt ist, dass Frauen häufiger ärztliche Hilfe suchen. Wir vermuten daher, dass die Dunkelziffer bei männlichen Patienten höher ist." Die meisten SAD-Betroffenen haben in der Familie zumindest einen engen Verwandten, der irgendwann in der Vergangenheit unter Depressionen, oft SAD, gelitten hat.
Zu den wichtigsten Symptomen der SAD zählen Müdigkeit, verstärkter Appetit, Schlafstörungen und Rückzug aus dem sozialen Leben.
Am Wiener AKH gibt es mittlerweile eine Spezialambulanz für Herbst-Winter- Depressionen. Der stärkste Zulauf beginnt rund um Weihnachten und erreicht im Jänner und Februar seinen Höhepunkt. "Für jene, deren Batterien schon sehr leer sind, ist diese Zeit besonders schwer", sagt der Psychiater. Die PatientInnen leiden an starker Energielosigkeit, fühlen sich oft schon am frühen Nachmittag völlig erschöpft.

Das Licht ist schuld

Doch wie genau hat das Wetter damit zu tun? "Es geht vorwiegend ums Licht. Im Herbst und Winter wird durch den Lichtmangel zu wenig Serotonin ausgeschüttet", sagt Kasper. Infolgedessen werden zu wenig Hormone produziert, die den Antrieb oder die Ausschüttung von Glücksstoffen regulieren und so Empfindungen wie Freude auslösen. Kasper spricht von einer Lichtmangel-Erkrankung. Dass es diese tatsächlich gibt, hat er gemeinsam mit internationalen Forscherteams über den Globus verteilt in mehreren Studien belegt: Überall, wo sich Menschen viel in Räumen aufhalten und wenig Tageslicht abbekommen - das kann auch in sonnigen Gegenden sein, wo Menschen viel in klimatisierte Räume flüchten, oder während langer Regenzeiten -, treten die typischen Symptome zutage. Sonnenschein ist dabei nicht immer der entscheidende Faktor, es geht ums Licht allgemein. Zum Vergleich: In einem mit künstlichem Licht beleuchteten Raum schafft man eine Beleuchtungsstärke von rund 500 Lux, unter einem bedeckten Winterhimmel können es immer noch mehr als 5.000 Lux sein.
Tatsächlich gehört deshalb Lichttherapie zu den wirkungsvollsten Behandlungsmethoden, um Symptome der Winterdepression zu lindern. Auch Psychotherapie und die Gabe von Antidepressiva können in Absprache mit dem Arzt bzw. der Ärztin in Betracht gezogen werden.
Was tun, damit es gar nicht so weit kommt? Was einfach klingt, fällt Betroffenen oft besonders schwer: so viel wie möglich draußen in der Natur sein. Künstliches Licht, Drinnen-Sein und die Kombination aus Dunkelheit und Wärme sind Gift für die Psyche.

Die höchsten Suizidraten gibt es zwischen März und Mai

Was in diesem Zusammenhang jedoch sehr überrascht: Die wenigsten Suizide werden in der finsteren Jahreszeit durchgeführt. Eine österreichische Studie der MedUni Wien zu diesem Thema zeigt: Die höchsten Suizidraten gibt es zwischen März und Mai, die niedrigsten zwischen November und Jänner. Die Erklärung der WissenschaftlerInnen lautet: Suizide erfolgen zu einem Zeitpunkt, an dem die " Batterien" der Betroffenen aufgrund des vorangegangenen Lichtmangels schon geleert sind. Auch die medizinische Klimatologin Angela Schuh beschreibt, dass PatientInnen mit endogenen Depressionen (also solchen ohne erkennbare Ursache) häufig völlig überraschende negative Reaktionen auf Schönwetterlagen zeigen. Nach einem langen Winter sind sie besonders freudlos, können nicht mehr genießen und haben ihr Sozialleben meist stark vernachlässigt. Während das Umfeld beginnt, aktiv zu werden, und gut gelaunt wirkt, wird das Gefühl der Ausgegrenztheit im Frühling noch verstärkt.
Egal, ob Sonne oder Regen: Das Jammern über das Wetter ist uralt und ein globales Phänomen. Denn es betrifft jede/n gleich und bietet sich daher als Gesprächsthema besonders an. Ganz nebenbei gilt gemeinsames Raunzen als soziales Schmiermittel und stiftet Zusammenhalt. Doch eines, sagt Professor Kasper, hat durchaus Berechtigung: das Jammern über die Zeitumstellung. Denn diese Stunde weniger Licht kann sich ordentlich aufs Gemüt schlagen. "Unser Rhythmus gerät durcheinander, es fühlt sich wie ein Mini-Jetlag an. Und für manche Menschen ist dieser Lichtmangel wirklich nicht gut."

Quelle: https://wienerin.at/saisonabhangige-depression-wie-du-die-anzeichen-richtig-erkennst