Samstag, 20. Oktober 2018

Bore-out oder Burnout


Bore-out ist die Unterforderung und Burnout ist die Überforderung am Arbeitsplatz. Beides führt zu sehr ähnlichen Symptomen ist gesundheitsgefährdend. Da sind wir wieder beim Thema des Bloges Begeisterung für das was man macht, dies ist die Lösung.

Bore-out als Folge chronischer Langeweile im Beruf wird noch als Luxusproblem belächelt. Warum krankhafte Unterforderung ein echtes Problem der Arbeitswelt ist und wir sie nicht länger dulden dürfen.

Langeweile im Job – wo gibt’s denn so was, denken Sie vielleicht in diesem Moment. Weil Sie zu den chronisch überlasteten Menschen gehören, für die Nichtstun schier unvorstellbar ist. Dass es andere gibt, die täglich in ihrem Büro von gähnender Langeweile gequält sind, können Sie sich schwer vorstellen. Und falls doch, blicken Sie müde lächelnd auf sie herab und wünschten sich, deren Probleme zu haben.
Oder Sie haben auf diesen Artikel geklickt, weil auch Sie einer der vielen dauerhaft in ihrem Job Gelangweilten sind, diese Zeilen gerade heimlich an Ihrem Arbeitsplatz lesen und erleichtert sind zu erfahren, dass Ihr Problem alles andere als eine Randerscheinung ist. 31 Prozent der in der aktuellen Studie „Randstadt Employer Brand Research“ Befragten geben an, ihren Job aufgrund von Unterforderung wechseln zu wollen.
Auf meinem Karriereblog habe ich 2015 den Beitrag „Langeweile im Job: Was tun, wenn es nichts zu tun gibt?“ veröffentlicht. Monatlich hat der Text rund 5000 Leser – alle über Suchmaschinen. In den vielen Kommentaren berichten Betroffene, in welche gefühlt ausweglose Sackgasse sie sich manövriert haben und wie stark sie dieser Zustand belastet.

Langeweile im Job hat viele Ursachen

Es geht nicht um den einen Tag hin und wieder, an dem Sie zum Zeittotschlagen mit den Kollegen ausgedehnt plaudern, den Stapel Fachzeitschriften sichten und am Ende froh sind, nach zähen Stunden des Abhängens endlich Feierabend machen zu dürfen.

Es geht um dauerhafte Langeweile. Jeden Morgen sicher zu wissen, dass alle Aufgaben dieses Tages innerhalb von einer Stunde erledigt sein werden. Oder zu wissen, die nächsten acht Stunden und jeden neuen Tag mit eintönigen Routinetätigkeiten intellektuell unterfordert zu sein. Oder über Monate unbeschäftigt sehnsüchtig auf das zweimal im Jahr einsetzende Saisongeschäft zu warten.
Die Ursachen für Langeweile im Beruf sind vielfältig. Mit mangelnder Motivation, geringer Qualifikation oder Faulenzertum hat es selten zu tun. Ganz im Gegenteil, meist sind es Arbeitnehmer mit ursprünglich hoher intrinsischer Motivation, die einmal Dinge bewegen und Erfolge sehen wollten, jedoch in den hierfür falschen Positionen oder veränderungsstarren Organisationen stecken, die ihnen dies alles nicht erlauben.

Sicherheit und hohes Gehalt lassen Angestellte aushalten

Die meisten „Opfer“ von Langeweile im Job verdienen gut und befinden sich in einem Umfeld, das ihnen ein hohes Maß an Sicherheit bietet. Im öffentlichen Dienst, in Non-Profit-Organisationen, in Konzernen mit starkem Kündigungsschutz nach langjähriger Betriebszugehörigkeit oder im kuscheligen Familienbetrieb.
Das gut bezahlte Nichtstun in Sicherheit gegen spannend Neues in Unsicherheit einzutauschen ist die gefährlich hohe Hürde, die Betroffene über Jahre aushalten lässt und krank machen kann.
Denn gefangen im Nichts wird es zur größten Sorge aufzufallen. Wer auf die Idee kommt, den Chef nach mehr Arbeit zu fragen, der hat bereits lange Langeweile ausgehalten. Zu machtvoll ist die Angst geworden, den Job los zu sein und vor dem echten Nichts zu stehen.

Bore-out ist belastender als Burn-out

Sie entwickeln stattdessen Vermeidungsstrategien, strecken Arbeit künstlich über Stunden oder platzieren ihren Bildschirm so, dass niemand ihr privates Surfen bemerkt. Ein schleichender Prozess, der immer stärker zum Verlust von Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit führt.
Sie verlieren das Gefühl für ihre Stärken, fühlen sich unnütz und überflüssig. „Ich kann an meiner Situation nichts verändern!“, wird bereits nach kurzer Zeit chronischer Unterforderung zur selbst konstruierten Wahrheit.
 
Hinzu kommt, dass sie im Gegensatz zum durch Überforderung gestressten Jammerer von ihrem sozialen Umfeld nicht ernst genommen werden. Sie sprechen von einem „Luxusproblem“ und fragen mich, ob sie es sich überhaupt erlauben dürfen, unzufrieden zu sein. Schließlich sei ein Burn-out doch viel schlimmer.
Ein Irrtum, der in unserer Leistungsgesellschaft verankert ist. Es wird höchste Zeit, die identischen körperlichen Symptome von Burn-out und Bore-out mit mindestens gleichem Maß als Gesundheitsgefährdung am Arbeitsplatz wahr und ernst zu nehmen.

Wir dürfen chronische Langeweile im Beruf nicht dulden

Wir können es uns nicht leisten, Stellen ohne Arbeit existieren zu lassen, nur weil sie geplant sind und auf den Status altgedienter Chefs einzahlen, die ihre Macht über Führungsspannen definieren. Dort, wo menschliche Arbeit durch Automatisierung oder Verlagerung entfällt, jedoch human auf Entlassungen verzichtet wird, wäre die Kündigung und Unterstützung im Neuorientierungsprozess für viele Arbeitnehmer die gesündere Lösung, anstatt sie auf ein stillgelegtes Abstellgleis und in die krank machende Langeweile zu befördern.
Wer in seinem Beruf unter Langeweile leidet, der darf als Chef des eigenen Lebens aktiv werden und seine Vorgesetzten in die Verantwortung nehmen. Aushalten ist auf Dauer keine gesunde Lösung. Wer zusehend für Nichtstun oder Unterforderung gut bezahlt wird, der sollte sich bewusst entscheiden, es wirklich als Luxus zu genießen oder aber den Job zu wechseln.

Quelle: https://www.welt.de/wirtschaft/bilanz/article182341254/Bore-out-Mit-Langeweile-im-Job-ist-nicht-zu-spassen.html