Mittwoch, 31. Oktober 2018

Vortrag klärt über Depression und Burnout auf


Depressionen und Burn­out sind weder Einbildung noch bloße Stimmungsschwankungen. Es sind ernst zu nehmende Krankheiten, denen sich die Ärztinnen Isa Sammet und Sandra Schmid-Domay beim jüngsten Arzt-Patienten-Forum der Kreisärzteschaft und der Geislinger Volkshochschule vor rund 70 Besuchern im Schubart-Saal widmeten.
Professorin Dr. Isa Sammet ist Ärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Göppinger Klinikum Christophsbad. Depressive erkennten selbst keinen „triftigen Grund“ für ihre empfundene Hoffnungslosigkeit, innere Leere und Antriebslosigkeit, erklärte die Psychologin: „Das ist einer der Gründe, warum depressiv Erkrankte furchtbar leiden. Sie sehen keinen Grund für ihr Befinden und geben sich auch noch selbst die Schuld dafür.“
Die Folgen: Schlaf- und Appetit­losigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und ein negatives Selbstbild. Dadurch entstehen Misserfolge im Beruf, auch das Privatleben bleibt auf der Strecke. Sammet: „Dieser Abbau verschlimmert die Situation und das Selbstbild. Besonders wenn sich Angehörige nach und nach abwenden, wird es für die Betroffenen besonders schwierig.“ Angehörigen rät sie daher, lieber nicht zu sehr motivieren und aktivieren zu wollen: „Dann fühlt sich der Betroffene nicht verstanden und zieht sich noch mehr zurück.“
26 Prozent der Frauen und zwölf Prozent der Männer in Deutschland leiden zumindest einmal im Leben an Depressionen, erläuterte die Ärztin. Wie häufig und wie lange diese Krankheitsphasen auftreten, sei unterschiedlich: „Ungefähr zwei Drittel der Patienten wird geheilt, bei manchen tritt die Depression in Phasen oder gar chronisch auf.“
Ursachen für Depressionen können Nebenwirkungen von Medikamenten sein, schlechte Erlebnisse in der Vergangenheit oder nicht sichtbare innere Konflikte. Die Wahrscheinlichkeit, daran zu erkranken, hänge auch von biologischen und persönlichen Faktoren ab, sprich: Wer neigt dazu?
Was die Krankheit Burnout betrifft, sind die Ursachen eindeutiger zu bestimmen. Depressionen und Burnout gingen jedoch oft Hand in Hand, sagte Sammet: Rund 80 Prozent aller Burn­out-Patienten seien auch depressiv.
Ihre Kollegin, Dr. Sandra Schmid-Domay, Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Verhaltenstherapie, erklärte: „Bezeichnend für Burnout ist, dass sich Menschen lust- und kraftlos in einem Beruf fühlen, der ihnen bis vor Kurzem noch unendlich Spaß gemacht hat.“ Das Problem: „Die Energie im Menschen ist begrenzt, jedoch nicht sichtbar.“

Sich über kleine Schritte freuen

Burnout fange mit Emotionen wie Verärgerung, Wut und beginnender Unlust an. Daraufhin mieden Betroffene soziale Kontakte außer­halb ihres Berufs und zögen sich zurück. „Spätestens dann gilt es wachsam zu bleiben: gegensteuern ist möglich“, betonte Schmid-­Domay. Es gelte besonders, sich einen Ausgleich zum Beruf und besonders seine sozialen Kontakte zu erhalten. Eine große Rolle spiele auch, genügend Schlaf zu bekommen.
Dass Burnout im Besonderen eine Folge der unter Effizienzdruck stehenden Leistungsgesellschaft ist, zeigt eine Zahl besonders: Im Durchschnitt sank in den Industrieländern die mittlere Schlafdauer um rund zwei Stunden. „Erschreckend“, findet das Schmid-Domay. Daher ihr Tipp: „Markieren Sie nicht die Starke, Sprechen Sie mit Ihrem Arbeitgeber, Ihrer Familie, über Ihre Überbelastung. Die Gesellschaft wird bei diesen Themen nach und nach sensibler.“ Und: „Seien Sie auch dann zufrieden, wenn Sie kleinere Ziele erreichen.“ Sich auch einmal selbst zu loben, sei nicht schäbig, sondern trage zu höherer Zufriedenheit bei.
Depression und Burnout blieben trotz aller Aufklärung heikle Themen, sagte Frank Genske, Vorsitzender der Kreisärzteschaft: „Viele sprechen nicht gerne darüber.“ Dass das Tabuthema so viele Zuhörer anzog, überraschte ihn: „Besonders interessant ist, dass Besucher aus allen Altersschichten zu uns gekommen sind.“

Quelle: https://www.swp.de/suedwesten/staedte/geislingen/vortrag-klaert-ueber-depression-und-burnout-auf-28233564.html