Freitag, 28. Dezember 2018

"Großstädte können krank machen"


Nie litten mehr Menschen in Deutschland unter psychischen Erkrankungen. Schuld sind moderne Stressoren wie das Pendeln, sagt der Stressforscher Mazda Adli

Herr Adli, in Deutschland steigt die Zahl der Menschen mit psychischen Erkrankungen seit Jahren. Krankt die Republik oder werden Stress, Burnout und Depression offener thematisiert?
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Menschen sprechen mehr über psychische Probleme und Stress. Das ist ein wesentlicher Grund, warum es einen Anstieg von Krankheitszahlen gibt, die auf psychische Erkrankungen zurückzuführen sind. Haus- und Allgemeinärzte erkennen heute aber auch deutlich besser Depressionen.
 
Psychische Erkrankungen sind heute also genau so häufig wie früher?
Depression ist schon immer eine Volkskrankheit gewesen. Jede vierte Frau und jeder achte Mann trifft es mindestens einmal im Leben.
 
Ein deutsches Phänomen?
Nein, Depressionen sind kein Phänomen der westlichen Welt. Die Weltgesundheitsorganisation stellt fest, dass es seit 2005 weltweit eine Zunahme von 18 Prozent gibt. Schon heute macht sie im globalen Norden die größte Krankheitslast in der Bevölkerung aus. Weltweit gesehen erwartet die WHO diese Entwicklung bis 2030.
Sie behandeln diese Menschen jeden Tag. Wer kommt da in Ihre Klinik ?
Meine Patienten kommen aus allen Altersstufen, allen Berufsgruppen, allen sozialen Gruppen. Es kann jeden treffen. Allerdings erkranken Frauen häufiger an Depressionen als Männer und auch ältere Menschen sind gefährdeter. Aber ich sehe auch viele Menschen, die in jungem Alter erkranken.
 
Sehen Sie die Politik in der Pflicht?
Wir sprechen über eine echte Volkskrankheit, deswegen ist das eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Depression ist eine Stressfolgeerkrankung, die entsteht wenn unsere angeborenen Stresspuffer überlastet sind. Wir leben heutzutage in einer Umwelt voller Stressoren. Unsere Biologie und das genetische Skript, das unsere Stressreaktionen reguliert, stammen allerdings aus der Jäger- und Sammlerzeit. Wir brauchen deshalb eine wirksame Präventionsstrategie, die in Schulen anfängt und in betrieblicher Gesundheitsvorsorge ihre Fortsetzung findet. Ich finde, der Umgang mit Alltagsstress in unserer modernen Lebensumwelt gehört in die Schulen und muss dort genauso vermittelt werden, wie gesunde Ernährung oder der Sinn von Zähneputzen. Erst dann wird psychisches Leiden als Thema besprechbar und aus der Schmuddelecke gezogen. Gerade Depressionen sind noch immer ein Tabu-Thema. Dabei leiden nahezu 5 Millionen Menschen in Deutschland unter einer behandlungsbedürftigen Depression.
Wann sollte man sich Hilfe holen?
Wenn man über längere Zeit niedergeschlagen oder unruhig ist, nicht mehr abschalten und sich schlecht konzentrieren kann. Ein weiteres Frühwarnzeichen ist, wenn man schlechter schläft. Bei vielen Menschen machen sich Depressionen auch durch körperliche Beschwerden wie Kopfdruck, Rückenschmerzen oder einem Druckgefühl auf der Brust bemerkbar.
Warum sind manche Menschen stressresistenter als andere?
Wie stressanfällig wir sind, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Es gibt Unterschiede in unseren Genen oder in der Funktion unseres Stresshormonsystems, in unserer Persönlichkeit. Aber auch unter welchen Umständen wir aufgewachsen sind, hat Einflüsse.  Und ob wir in einer Stadt leben.
Dazu forschen Sie schon lange. Machen Metropolen wie Berlin krank?
Ja, unter bestimmten Umständen können Großstädte krank machen. Vor allem der soziale Stress geht uns an die Gesundheit. Der entsteht aus der Gleichzeitigkeit von sozialer Dichte und sozialer Isolation. Wenn diese beiden sozialen Stressoren auf einen Menschen treffen und man das Gefühl hat, daran nichts ändern zu können, kann es zum Gesundheitsproblem werden. Auf der anderen Seite hat Großstadtleben aber auch gesundheitliche Vorteile. Wenn man in Berlin nach einem freien Psychotherapieplatz sucht, ist das deutlich einfacher als in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern.
 
Gibt es auch gesunde Großstädte?
Es gibt Faktoren, die Städte gesünder machen: Öffentlicher Raum, der von den Menschen genutzt wird oder eine Straße oder Nachbarschaft, die dazu stimuliert vor die Haustür zu treten wirken sozialer Isolation und Einsamkeit als entscheidende Krankmacher in der Stadt entgegen. Auch Grün- und Wasserflächen helfen. Da hat Berlin einfach verdammtes Glück gehabt.
Welche Rolle spielt das Pendeln?
Mit der Zahl der am Tag zurückgelegten Pendelkilometer wächst auch die Zahl der Krankschreibungstage. Das steht in einem direkten linearen Zusammenhang. Auch das soziale Netzwerk schrumpft durch die Pendelei, weil man schlichtweg weniger Zeit für den Freundeskreis hat. Untersuchungen aus den USA zeigen, dass pro zehn Minuten Arbeitsweg der Freundeskreis um zehn Prozent kleiner wird. Das ist deshalb ein Problem, weil unser soziales Netz uns gegen soziale Isolation schützt und einen wichtigen Stresspuffer darstellt.
Macht es einen Unterschied, ob man Auto oder Bahn nimmt?
Autofahrer sind besonders gestresst. In der Rush Hour führt das zu enormen Stressspitzen, die vergleichbar sind mit denen von Kampfjetpiloten im Einsatz. Mit dem öffentlichen Nahverkehr ist es für die Gesundheit besser, am glücklichsten sind aber diejenigen, die jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren oder sogar zu Fuß gehen. 
 

Schlechte Ernährung erhöht das Risiko für Depressionen


Viel Cholesterin, gesättigte Fette und Kohlenhydrate: Daraus besteht eine Ernährung, die Entzündungen begünstigt. Forscher der Universität in Manchester haben nun herausgefunden, dass Fast Food, Kekse und verarbeitetes Fleisch auch die Gefahr erhöhen, an einer Depression zu erkranken.

Wer viele Nahrungsmittel isst, die Entzündungen begünstigen, hat ein um 40 Prozent erhöhtes Risiko, an einer Depression zu erkranken – unabhängig von Alter und Geschlecht. Dies hat eine Auswertung von elf Studien ergeben, die Zusammenhänge zwischen Depressionen und einer entzündungsfördernden Ernährung untersucht haben.
Dr. Steven Bradburn vom Bioscience Research Center der School of Healthcare Science in Manchester Metropolitan sagt: "Diese Ergebnisse haben ein enormes klinisches Potenzial für die Behandlung von Depressionen und möglicherweise auch für andere Krankheiten wie Alzheimer, die eine entzündliche Komponente haben. Die Ernährung umzustellen, könnte eine günstige Alternative oder Ergänzung zu medikamentösen Behandlungen sein", so Bradburn.
Eine anti-entzündliche Diät enthält viele Ballaststoffe, Vitamine (besonders A, C und D) und ungesättigte Fette. So könnte im Umkehrschluss eine mediterrane Diät mit Olivenöl, Tomaten, grünem Gemüse und fettem Fisch helfen, depressive Symptome zu lindern.
In die Analyse der elf Studien flossen Daten zur Ernährung und depressiven Symptomen von über 100.000 Studienteilnehmern im Alter von 16 bis 72 Jahren ein. Die Studien kamen aus den USA, Australien, Europa und dem mittleren Osten.

Quelle: https://www.aponet.de/aktuelles/ihr-apotheker-informiert/20181227-schlechte-ernaehrung-erhoeht-risiko-fuer-depression.html