Donnerstag, 20. Dezember 2018

Muße-Training für gestresste Ärzte


Kliniken sind zu einem Ort von Stress und Hektik geworden. Die höchste Burnout-Rate unter Medizinern gibt es unter jungen Assistenz-Ärzten. Die Uni Freiburg forscht zu Muße in der Klinik und bietet Achtsamkeitskurse für Ärzte.

Der Klinikalltag ist geprägt von permanentem Zeitdruck: Die Ärzte eilen von Notfall zu Notfall, dazu kommen Nachtschichten und Bereitschaftsdienste. Ausgerechnet junge Mediziner, die eigentlich viel Energie und Idealismus mitbringen und noch ein langes Berufsleben vor sich haben, sind dadurch am meisten gefährdet. Die äußere Hektik verstärkt sich bei ihnen häufig durch die Angst, Fehler zu machen. Und das erzeugt noch mehr Stress. Ein Teufelskreis, der sich auf die Patienten überträgt.

Muße als Disziplin am Uniklinikum Freiburg

Wie Studien zeigen, mindern Druck und Hektik Empathie und Hilfsbereitschaft. Doch die äußeren Bedingungen lassen sich nicht so einfach ändern. "Die Ruhe im Innern finden", lautet deshalb das Credo von Achtsamkeitsforschern an der Universität Freiburg. In ihrem Sonderforschungsbereich Muße läuft eine Achtsamkeitsstudie mit Nachwuchs-Medizinern, die lernen sollen, mit ihrer berufsspezifischen Belastung umzugehen und Stress-Resilienz aufzubauen. Die Erkenntnisse daraus lassen sich auch auf andere Berufe und Lebenssituationen übertragen.

Händewaschen: So wird der Klinik-Alltag zur Meditation

Der Begriff der Muße wirkt antiquiert, ist aber für den Psychologen Stefan Schmidt vom Freiburger Uniklinikum höchst aktuell: Aus Sicht des Freiburger Forschers bedeutet Muße nicht, untätig zu sein, sondern in der jeweiligen Tätigkeit in einen positiven Bewusstseinszustand zu kommen. Dies ermöglicht Entschleunigung, Aufmerksamkeit und Fokussierung. Muße beginnt demnach nicht irgendwann nach Feierabend, sondern zum Beispiel vor oder während einer Behandlung.
 
Denn Muße kann man lernen, und zwar mithilfe ganz banaler Übungen, erklärt Stefan Schmidt. So sollen Ärzte etwa nicht über die Klinikflure rennen, sondern bewusst gehen und schon dadurch entschleunigen. Oder während der Hände-Desinfektion geistig kurz innehalten, die Hände spüren und sich des eigenen Körpers bewusst werden. Aus dieser innerlichen Ruhe heraus kann dann ein Gespräch mit dem nächsten Patienten aufmerksamer verlaufen, was die Kommunikation für beide Seiten angenehmer macht. Das sind erste Ergebnisse der Freiburger Studie, deren Auswertung noch läuft.

Meditationskurse für Ärzte

Diese Alltags-Rituale können Mediziner in einem mehrmonatigen Achtsamkeitstraining an der Freiburger Uniklinik einüben. Außerdem werden Meditationen und Übungen zur Körperachtsamkeit angeboten. Dabei bietet sich ein ungewohntes Bild: Die Teilnehmer liegen auf Yoga-Matten und sind ganz in ihrer Ruhe. Beim Körper-Scannen etwa fühlen sie dann in bestimmte Körperbereiche hinein, erkennen unbewusste Anspannungen und lernen, gezielt loszulassen.
 
Im Offenburger Ortenau-Klinikum, wo Ärzte seit längerem an Meditationskursen und Achtsamkeitstrainings teilnehmen können, hat sich diese Praxis bereits bewährt. Die große Hoffnung der Freiburger Muße-Forscher ist, dass das Einüben von Achtsamkeit zu einer neuen Qualität des Ärzte-Berufs führt – und dass davon am Ende auch die Patienten profitieren.
 

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